"DIE LUST
AM ERZÄHLEN" 25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.
Die Jurorinnen und Juroren 2000 Foto: ORF Kärnten
Die Hamburgerin Iris Radisch bei einem ihrer "Plädoyers". Fotos: ORF Kärnten Die Wörter als dicht geschlossene Abwehrreihe Es ist hart in Österreich: Der Wettbewerb um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt Österreich ist eine harte Nuss. Es gibt dort Schriftsteller, mit denen man nicht gerechnet hat. Und wenn sie dann auch noch aus ihren Texten lesen, wozu sie einmal im Jahr in Klagenfurt Gelegenheit haben, bringen sie gestandene "Literaturprofessionelle" von außerhalb sofort ins Schwitzen. Stephan Alfare etwa reiht Wiener Vorstadt-Betrachtungen aneinander, die beliebig austauschbar sind, aber auf ihr Lokalkolorit beharren und sich den Irritationen anderer Lokale verweigern: Goldegggassen und Ohrwatscherlstübln und Stamperln - das genügt sich und ruht in sich selbst. Da kann man dann nur noch in aller Verzweiflung "zwischen Daniil Charms und Karl Valentin" oder "zwischen Eckard Henscheid und Charles Bukowski" zu ihm sagen, wie es die einmal im Jahr nach Klagenfurt Gereisten auch machten; er bleibt genauso gleichmütig sitzen. Und es gibt in Österreich auch Autorinnen, da verfließen Atomkraftwerke, Mutterkuchen und Konzentrationslager so in eins, dass die Schlechtigkeit der Welt alle Wörter gleich triefen lässt und sie anschließend unter einem Zuckerguss zusammenklumpt. Selbst ausgewachsene Literaturwissenschaftlerinnen wie Elisabeth Bronfen werden davon so kalt erwischt, dass sie wie in einem Reflex Birgit Müller-Wieland und Paul Celan in einem Atemzug nennen müssen. Österreich ist eine harte Nuss. [Helmut Böttiger, Frankfurter Rundschau,
4.7.2000] Wild sein am Wörthersee Klagenfurt in den letzten Juni- und ersten Julitagen. Viele Stunden trugen federleichte Sommerkleider, und der Literaturbetrieb packte am Wörthersee mal wieder die Badehosen aus. Manchmal regnete es aber auch. Und aus irgendeinem Grund nahm unsereiner bei den Heimfahrten ins Hotel mit dem geliehenen Fahrrad immer einen Umweg über die Bahnhofstraße in Kauf, um das große Plakat mit der Aufschrift "Bürger-Büro von Landeshauptmann Dr. Jörg Haider" anzusehen: eine Handlung, dessen psychologische Motivation im Dunkeln blieb. Ein Versuch, sich einen kleinen Kick durch schwere politische Zeichen abzuholen? Pure Neugierde? Leises Triumphgefühl, weil man vor dem Schlafengehen noch einmal den Kopf über diese Österreicher schütteln konnte? Man weiß es nicht.
Ansonsten aber hat Jörg Haider bei den diesjährigen Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt nur eine vernachlässigenswerte Rolle gespielt. Wie ja so gut wie ganz Klagenfurt, ganz Kärnten, ganz Österreich und überhaupt die ganze nichtliterarische Welt vom vergangenen Mittwoch bis zum gestrigen Sonntag nur eine kleine Rolle gespielt hat. Bei Gruppen, die stark mit sich selbst beschäftigt sind, geht die Wahrnehmung der Außenweltreize bekanntlich gegen null, und der deutschsprachige Literaturbetrieb ist ganz gewiss eine stark mit sich selbst beschäftigte Gruppe. Der Kontakt mit den Einheimischen beschränkte sich auf das Hotelpersonal. Und vielleicht noch auf jenen stolzen Kneipier, der - als er mitbekam, dass in dem bunten Haufen, der an einem der Abende sein Lokal enterte, sich ein leibhaftiger ehemaliger Ingeborg-Bachmann-Preisträger befand (Norbert Niemann war's) - zu später Stunde noch die Lassie Singers auflegte und eine Flasche Birnenschnaps auf den Tisch stellte. So war das hier. [Dirk Knipphals, taz, 3.7.2000]
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