Gstättners satirische Einblicke IV
Josef Kleindienst aus Spittal an der Drau wird den Bachmannpreis nicht gewinnen,glaube ich. Und das, obwohl auch er die Grundregeln "Kein Spaß, kein Sex" beherzigt hat.Also, sagen wir: Fast kein Sex. Denn sein Text ist die Beschreibung eines fortgesetzten Verbrechens, der sprachlosen Gewalt und der Freiheitsberaubung, zu der auch noch sexueller Missbrauch kommt.
Der Autor wertet nicht, der Autor nimmt nicht Stellung. Diese Enthaltsamkeit hat eine lange literarische Tradition, soll Unbehagen beim Leser auslösen und die Wirkung des Textes verdichten.
Josef Kleindienst kolportiert nur, er berichtet bloß und er bedient sich dazu der Sprache eines Zeitungsartikels, die schlechten und kontraproduktiven Adjektiva inbegriffen. Eine direkte Rede garniert der Autor mit der Beschreibung "sagte er barsch". Der Magen eines Sprachästheten dreht sich da sofort um - von den transportierten Inhalten ganz abgesehen.
Und: Keine Zeitung der Welt würde einen 10-Seiten-langen Artikel in Auftrag geben und sei das berichtete Verbrechen noch so scheußlich gewesen. Denn so geht die Wirkung gleich wieder verloren.
Ich denke, vor 20 Jahren hätte dieser Text, beim Bachmannpreis vorgetragen, einen Skandal entfacht. Heute entfacht er nicht einmal mehr eine wirklich kontroversielle Jurydebatte. Man handelt das Für und Wider sehr elegant und abgebrüht auf einer Metaebene ab und ist sehr schnell wieder fertig. Auf Fragen der Wechselbeziehungen zwischen Literatur und Wirklichkeit, Kunst und Realität lässt man sich nicht mehr ein.
Was das beschriebene Opfer betrifft, ist das wohl gut so, was den Täter/die Täter betrifft, aber wenigstens schade. Vielleicht wollte die Jury auch einfach nur schnell in die Public Viewing-Zone, um den Klassiker Portugal-Brasilien zu sehen. Pessoa gegen Coelho! Dafür hätte ich Verständnis. Mir geht's genauso.
Gstättner als fliegender Reporter