Gstättner's Kommentare - Samstag 01

Bei der Eröffnung des Bachmannpreises war mehrmals die Rede davon, daß Dichter schwierige Menschen sind, und seit Menschengedenken gibt es das Klischee, daß der Dichter kein Gesetz über sich duldet.

Umso erstaunlicher, daß sich doch jedes Jahr Dichter finden, die sich bürgerlichen und medialen Grundregeln unterwerfen und zum Beispiel bereit sind, in aller Herrgottsfrüh um 9.00 Lesungen zu halten.

Um 9.00 Uhr im Morgenmantel beim Frühstück

Ich bin zu dieser Zeit noch im Morgenmantel (schon deswegen könnte ich nie beim Bachmannpreis teilnehmen) und sitze beim Frühstück. Immerhin aber habe ich heute 3sat zugeschaltet und konnte Heike Geisler sehen und hören. Mein Frühstücksei sah übrigens aus, als würde es über gar nichts intensiv nachdenken. Also habe ich es einfach geköpft und gegessen.

Ursula März (Foto ORF/Johannes Puch)

Sorgloser Umgang mit dem Wort "doof"

Kaum war das unnachdenkliche Ei verspeist, sagte die Jurorin Ursula März: "Wir alle wissen, daß Alleinsein doof ist..." Ich habe das bis heute nicht gewußt, mich aber über den sorglosen Umgang einer so renommierten Literaturkritikerin mit dem Wort "doof" gewundert; und noch mehr über ihren sorglosen Umgang mit dem Wort "wir".

Lesung unter Milliarden von Mücken

Jetzt bin ich aber natürlich live vor Ort im ORF-Theater, denn gleich liest der Schweizer Autor Pedro Lenz aus Bern. Wir hatten heuer im Mai gemeinsam eine Lesung in Schaffhausen. Im nächtlichen Literaturboot am Rhein waren außer dem zahlenden Publikum auch  zehn Milliarden Mücken, die uns beim Lesen zu Tausenden in den Mund hineingeflogen sind. Überall waren sie massenhaft: In den Gläsern, aus denen wir trinken wollten, auf den Buchseiten, die wir vorlesen wollten. Jedesmal, wenn wir eine Seite umblätterten, haben wir unabsichtlich 1.000 Stück erschlagen.

Pedro Lenz und Egyd Gstättner (Foto ORF/Johannes Puch)

Anreise notgedrungen mit der Eisenbahn

An diesem Tag hatte Pedro erfahren, daß er zum heurigen Bachmannpreis eingeladen worden war, und er war dementsprechend aufgeregt. Bern ist von Klagenfurt 999 km entfernt. Ab einer Distanz von 1000 km hätte der Veranstalter die Flugkosten übernommen, Pech.

So mußte Pedro mit dem Zug fahren und wollte eigentlich die Route über Venedig nehmen, traute aber den italienischen Zügen nicht die nötige Pünktlichkeit zu, ist schließlich über Feldkirch gefahren und jetzt rechtzeitig da, sodaß ich ihm ganz fest die Daumen halten kann. Mückenmassenmörder müssen schließlich zusammenhalten, und im Vergleich zu Schaffhausen wird sein Auftritt sicher ganz einfach...

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