Olga Flor (A) Jurydiskussion

Mit Olga Flor ging der erste Lese-Tag beim Ingeborg Bachmann-Preis zu Ende. Sie wurde eingeladen von Daniela Strigl. Die aus Österreich stammende Autorin las einen Romanauszug über eine Beziehungsgeschichte, die verrissen wurde.

Protagonistin „Sabine Klein“ ist schon einige Jahre verheiratet, als sie aber „Yves“ bei einem Kongress in Portugal wiedertrifft, schäumen die Gefühle wieder auf – wofür also sich entscheiden? Die Leidenschaft oder die Sicherheit? Die Kontrolle oder den Kontrollverlust?

Olga Flor (Bild: Johannes Puch)Olga Flor (Bild: Johannes Puch)

"Alte Geschichte, die immer neu bleibt"

Daniela Strigl – die Olga Flor eingeladen hatte – wollte nicht als erste sprechen, also begann Hubert Winkels: „Ich wollte zwar nicht als erster, habe den Text aber gelesen. Eine „alte Geschichte, die immer neu“ bleibe werde hier erzählt“. Man erinnere sich an eine Leidenschaft von früher, das werde behutsam und langsam gesteigert. Die in den Text eigeflochtenen Reflexionen würden den ersten Anschein nach bei der Lektüre stören, gehörten jedoch zum hochreflexiven Setting des Ganzen dazu. „Man entwickelt Nachsicht mit diesem Teil, der droht das zu überfrachten“. Mit „Müh und Not“ zwar, aber doch schaffe der Text es, das „abzufangen“. Als ganzen Roman könne er sich das gut vorstellen, im Ausschnitt komme das jedoch nicht voll zum Tragen.

Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)

Hier wandte Daniela Strigl ein: „Wir sollten hier nicht über den Roman sprechen.“ Platanen wären wegen ihrer Rinde „Symbole der Erneuerung“. Tod, Leben und Liebe wären hier die „Assoziationspunkte“. Eine „Existenz auf des Messers Schneide, die nur auf den ersten Blick gut abgesichert scheine. Die Frau versuche die Kontrolle über ihren Körper zu behalten, während „zwei Kriegsparteien, Österreich und Frankreich“ aufeinandertreffen würden. „Liebe als Krieg“, wobei es auch eine Kränkung verhandelt werde. Sprachlich sehr genau gearbeitet sei das und keine harmlose Sommerliebe, was man spätestens bei der Anal-Sex-Szene bemerken könne.

"Frau mit Maschine zur Selbstzüchtigung"

„Diese Frau hat eine eingebaute Maschine zur Selbstzüchtigung“, erklärte daraufhin Meike Feßmann. „Die Frauen gehen also nicht nur mit den Männern so um, sondern züchtigen sich auch selbst.“ Das sei ein Charakteristikum der Figur und leuchte ihr auch ein, insgesamt sei der Text aber doch „erheblich überfüttert“. „Der Text lässt dem Leser keinen Freiraum“, er sei wie eine Reportage gearbeitet, „wesentlich anspruchsvoller“ wäre es gewesen, so Feßmann, wenn einiges nur indirekt benannt worden wäre.

Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)

„Dieser Text ist fast bruchlos an den Vorgängertext angeschlossen“, begann Hildegard Elisabeth Keller, obwohl es „keine Suada“ sei und es auch ein anderes Setting gebe. Trotz Forscher und EU-Karriere hinterfrage diese Frau ihr Leben, der Text lebe von dieser „Reise in die Vergangenheit“, dabei würden jedoch mit der Zeit „Abnützungserscheinungen“ auftauchen. Das Überbedürfnis nach Präzision tue dem Text nichts Gutes. „Es geht hier nicht um einen Wut-Text, sondern um eine „tiefe Leidenschaft“, die Protagonistin halte sich jedoch ständig unter Kontrolle. „Das einzige, was hier frei laufen darf, ist die Erinnerung.“

"Verstohlener Kuss statt Anal-Sex"

„Der Text lebt doch davon, sich mit der Sprache gegen den Kotrollverlust zu stemmen“. Widersprach Strigl den Ausführungen ihrer Kollegin.
„Auch auf die Gefahr hin, wieder mehr über Juri Steiner und die Frauen zu sagen, als über den Text“, wollte auch Juri Steiner die Lesung nicht unkommentiert lassen. „Früher war Yves brutal, heute ist er nett. Aus dem Anal-Sex ist ein verstohlener Kuss geworden.“ Er sehe die Selbst-Kasteiung des Über-Ich nicht. Es genüge die Erinnerung an die Leidenschaft, diese werde aus Bequemlichkeit nicht mehr weitergelebt. Das hätte man in Zartheit „weiter treiben können“.

Arno Dusini (Bild: Johannes Puch)Arno Dusini (Bild: Johannes Puch)

Verriss von Arno Dusini

Arno Dusini verriss den Text völlig ("Wohlstandsprosa"), versicherte dabei aber zwei Mal, die Autorin Olga Flor sehr zu schätzen. Alles sei bei dem Text bereits vorher sprachlich entschieden, nichts gehe ohne Adjektiv, was ein großes Misstrauen gegen Substantive und Verben verrate. Die Sprache arbeitete mit „Klischierungen“: „Dorade oder Steak“. „Ich schätze die Autorin sehr, weiß aber nicht, ob man aus einem österreichisch-französischen Arsch-Fick Literatur machen kann.“

"Unter der Gürtellinie angelangt"

„Jetzt sind wir endgültig unter der Gürtellinie angelangt“ warf Daniela Strigl erbost ein. „Natürlich kommt man an den Klischees bei diesem Thema nicht vorbei. Dieses Spiel ist ein ganz offensives. Die Figur sagt: Ich muss meine Wünsche benennen, damit ich sie verräumen kann. Dass das nicht gelingt, wird am Schluss ja ganz klar.“