Birgit Pölzl (A) Jurydiskussion

Die Österreicherin Birgit Pölzl las den Text „Maia“, auf Einladung des Neo-Jurors Arno Dusinis. Die Geschichte einer Reise zur Trauerbewältigung gefiel den Jurykollegen nicht wirklich, wenn diesem auch von einigen Seiten „Respekt“ gezollt wurde.

Die Autorin erzählt die Geschichte einer Mutter, deren Tochter von ihrem Lebensgefährten überfahren und getötet wurde, und die sich auf einer Reise durch ein Land wie Tibet oder Nepal befindet. Wie mit dem Verlust der Tochter umgehen und loslassen ist dabei das Thema.

Birgit Pölzl (Bild: Johannes Puch)Birgit Pölzl (Bild: Johannes Puch)

Keine gute Botschaft von Winkels

„Ich fange nicht ganz so gerne an, weil ich keine gute Botschaft zu überbringen habe“, eröffnete Huberte Winkels die Diskussion. „Ein Trauergesang am Grab“ sei das, eine „Litanei“, in der es um das Verschwinden einer geliebten Person gehe. Die Literatur habe zwar genau diese Funktion, „Tote anwesend sein zu lassen“, das sei auch „legitim, gut und richtig“, hier jedoch auf eine weltlose und esoterische Art und Weise gelöst: „Sentiment-Produktion“, mit Versatzstücken aus mehreren Welten, wobei das sprachliche Universum „extrem reduziert“ zu nennen sei. Ein „Singsang“ der irgendwann langweilig wird.

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

"Glaubhafte Verlangsamung"

„Ich bin keine Fernreisende, aber ich tippe auf Tibet“, so Daniela Strigl. Sie finde die „Verlangsamung“ schon glaubhaft und konsequent vermittelt auf dieser Reise, deren Hauptziel es sei Trauerarbeit zu verrichten. Durch die lyrische Sprache bekomme der Text etwas sehr Bedächtiges, was einen beim Lesen entweder ruhig mache oder noch nervöser, als man vorher schon war. Schon problematisch: Der Lebensgefährte der Frau habe das Kind auf dem Gewissen, das sei „das Schlimmste was passieren kann“. Die Sentimentalität sei da nicht weit, noch dazu, wo die Trauerarbeit in einem solchen Land stattfinde. Stark gefühlsbefrachtet, was Strigl als ein Problem des Textes ansah, habe dieser aber auch „sehr schöne Passagen“.

Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)Daniela Strigl (Bild: Johannes Puch)

Keller wollte Jurykollegen überzeugen

Hildegard Elisabeth Keller versuchte ihre Kollegen von den Qualitäten des Textes zu überzeugen: Dieser versuche sich den Inhalt auf der sprachlichen Ebene „anzuverwandeln“. Ein Text bei dem das Subjekt auch auf grammatikalischer Ebene zurückgenommen werde, in dem es etwa auf die ungewöhnliche zweite Stelle im Satz gesetzt werde. „Die Rücknahme des Egos“ werde also auch dort praktiziert, der Titel verweise auf die Schleier der Maia, also der Wirklichkeit. „Das Verschwinden eines Subjekts im Ozean des Seins“. Ein „riskanter Text“, der einzuholen versuche, wovon er spricht. Keller zeigte auch „Respekt“ vor dem Thema, denn hier gehe es darum „Loszulassen“ – ein polarisierender Text.

Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)

"Gewisse Härte spürbar"

Juri Steiner kam auf die globalisierte Welt zu sprechen, in der einzelne Länder für gewissen Angebote stünden, Sex zum Beispiel. Andere Länder wären solche, wo man Trauerarbeit verrichten könne. „Das ist eine Touristenreise, keine Initiation“. Allerdings habe er beim Lesen auch eine gewisse Härte gespürt, insofern liege das Potential des Textes darin, dass es darin eben nicht um Trauerarbeitskonsum gehe.

"Literarischer Missbrauch"

Heike Feßmann betonte, den Ausführungen der Kollegen folgen zu können, sie verstehe dass so mancher nach dem „angespannten“ Rhythmus des vorigen Textes nun „glücklich“ sei, dass ihm hier „nichts abverlangt“ werde. Sie nannte den Text „verwerflich“, weil er ein gestorbenes Kind zum Thema mache, das auch noch durch den Lebensgefährten der Mutter überfahren werde. „Das ist literarischer Missbrauch“, und „keine wirkliche Trauerarbeit“. „Esoterischer Kitsch, ich kann es nicht anders sagen.“ Eine Wortmeldung, die von einigen im Publikum mit Klatschen begrüßt wurde.

Dussini sprang in die Bresche

Hier nahm Arno Dusini die Autorin in Schutz. Er verwehre sich gegen den Begriff „literarischer Missbrauch“. Die Kritik laufe darauf hinaus, etwas Erzähltes „gewaltsam“ wieder in die Wirklichkeit zurück zu zerren. Am Anfang dieser Geschichte über das Abschiednehmen stehe der Stillstand, das sei keine Trauermelodie, sondern der Text versuche eine Bewegung hineinzubringen. „Das ist kein Metaphysik – und Therapietext, sondern er kommt durch seine sprachliche Bewegung zu einem Ende, der uns etwas vorführt. Der Plot ist einfach, hat aber Bewegung in sich.“ Jeder Satzanfang in diesem Text, der überhaupt nicht beruhigend sei, sei eine „Kraftanstrengung“. Auch hier gab es Applaus.

Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)Burkhard Spinnen (Bild: Johannes Puch)

"Respekt" von Burkhard Spinnen "

Burkhard Spinnen sah eine gewisse Problematik des Textes darin, dass dieser eine Idylle darstelle. Und Idyllen sei eben eigen, dass sie etwas Totes als Stillleben darstellen würden, hier passiere das Gleiche: „Nature morte“, das „Stillleben einer Trauer“. Er sehe Ansätze für eine Zivilisationskritik im Text, des Menschen im 21. Jahrhunderts, der sich keine Trauer mehr zubilligen könne. Die Autorin versuche Trauerarbeit nicht mit den Maßstäben des Gelingens oder Misslingens zu sehen, was der Text aber nicht auflöse. Dieser sei kein lautes und großes Unterfangen und habe eine „begrenzte Aufgabe“; der Text nötige ihm aber dennoch Respekt ab und sei für ihn - als ebenfalls Schreibenden - „sehr akzeptabel“. „Gut, dass mich der Text so unbefriedigt lässt“, so Spinnen.