Katharina Gericke (D) Jurydiskussion
"Weil ja die Liebe in der Oper singt – im Leben siegt sie nicht“ – ein Satz aus Gerickes Text und gewissermaßen das Motto dieses Wettbewerbstextes, der die Jury von seinen Qualitäten überzeugen konnte, mit Ausnahme von Arno Dusini.
"Mit Vergnügen gelesen und gehört"
„Ich habe diese Geschichte mit fast demselben Vergnügen gelesen, wie ich ihn jetzt gehört habe“, begann Daniela Strigl mit ihrem Lob – obwohl sie sich im ersten Absatz noch gedacht habe: „Oje, schon wieder eine Außenseitergeschichte“ die ein schlimmes Ende nehmen werde. Sehr bald gehe einem jedoch die Ironie des Textes auf („bezaubernd“). Auffallend sei hier die rhythmische Sprache des Textes, die einem mittels Jamben durch dieses „Beziehungsstationendrama“ trage. Sie habe sich gefreut über diese „Blank-Vers-Herrlichkeit“, die gegen das heutige Berlin gehalten werde – wobei die Figuren „weggerückt“ wie auf einer Bühne zu stehen scheinen.
Hubert Winkels wollte da weiter anknüpfen: Das sei eine Geschichte über die Tatsache, dass man die Liebe in einem „einfachen Narrativ“ nicht erzählen könne, diese werde immer weiter verschoben. Gehalten im „gemütlich- allegorischen Vokabular“ der Oper, agiere die Liebe hier „wie ein Höllenhund“. Der Text selbst sei ein „Gesang der Liebe“.
"Auf merkwürdige Weise berührt"
Meike Feßmann wollte nach dem überschwänglichen Lob der Kollegen daraufhin nur eine „klitzekleine Oper, oder eine Operette“ in dem Text sehen – kein großes Werk. Beim Lesen denke man manchmal, man habe es mit einer Parodie zu tun („Greta aus Kreta“). Dennoch fühle sie sich auf merkwürdige Weise berührt. „Eine einsame beobachtet ihr Leben und die Liebe der anderen“. Schräg sei das, das habe etwas vom Berliner Viertel Moabit, wo die Autorin herkomme und gerade das sei seine Stärke. Dennoch stellte Feßmann die Frage: Ist es Kunst, oder Dilettantismus? Der Blankvers sei zwar schön gemacht, wenn auch nicht durchgehalten – „so in der Schwebe gefällt er mir aber ganz gut“.
"Ein kleines Zauberstück"
Hildegard Elisabeth Keller sah sich in einer „mittleren Lage des Vergnügens“. Ein „kleines Zauberstück“, das sehr schön gelungen sei. „Die Figuren kommen mir vor wie Seifenblasen“, in die die Autorin jeden Moment „hineinstechen“ kann, und das zugunsten eines „Lobliedes auf die Liebe“. Sie stellte die Frage, ob es sich nicht um eine „spätmoderne Ballade“ handeln könnte: „raffiniert gemacht, ein neuartiges Experiment“.
Juri Steiner sah sich auf eine „unglaublich fantasievolle Urlaubsreise“ versetzt, hier werde die Frage nach dem Leben, der Kunst, der Liebe gestellt. Ein „Ritornell“, eine „gespielte Bühne des Lebens, die en suite“ reicher sei als das, was auf der echten Opernbühne passiere. „Der Jahrmarkt des Lebens ist interessanter als das, was man spielt – mir hat das außerordentlich gut gefallen.“
"Überzogene Jambisierung"
Hier griff Arno Dusini ein: Er lobte zwar die „sehr gut gebaute, verschachtelte Erzählung“ und das „attraktive Thema“, auch das Leitmotiv sei „gut gebaut“. Probleme habe er mit Strigls „Blankversherrlichkeit“. Denn der Text gehe zwar „sehr elegant“ mit seinem Gegenstand, der Liebe um und behaupte dessen „große Schwere“, doch die „überzogenen Jambisierung“ richte sich schlussendlich gegen den Text, weil sie dessen Gegenstand wieder klein mache. Die Drohung „Liebe ist ungeheuerlich“ sei ein Dantescher „Höllenhund“, aber gleich in Rhythmus aufgelöst und dadurch verharmlost.
"Durch Brüche Form der Ironie"
Burkhard Spinnen erklärte, dass es eben deshalb Brüche in der Rhythmisierung gebe, so entstehe eine Form der Ironie, die im Gegensatz zu der von Thomas Mann „romantisch“ sei und eine „grundsätzliche Distanz“ generiere. „Ich bin kein Opernfreund, Opern peinigen mich“, so Spinnen, aber der Text behaupte im Gegensatz zur Oper nie seine Wichtigkeit, im Gegenteil. Dieser habe ihn traurig gemacht. Dessen große Kunstfertigkeit bestehe darin, dass man ihm seine kunstfertigen Mittel nicht anmerke und diese sich nicht als „instrumentell“ herausstellten.
Auch Daniela Strigl wollte sich dem Problem Arno Dusinis nicht anschließen: Die Jamben seien hier nichts, was man verstehen müsse, man müsse sie fühle. Kritik daran sei hier, bei diesem so „selbstverständlichen Umgang“ nicht angebracht. Eine Komödie, die aber auch noch andere Dimensionen habe. „Popmusik, göttliche Komödie und Aida“ – das Spannungsfeld dazwischen mache die Wirkung des Textes aus.
Keller warnte dann noch davor, die „Vorexistenz“ der Wörter immer in die Diskussion mit ein zu beziehen, wogegen sich Dusini heftig wehrte: man sei hier beim Bachmann-Preis, ohne Geschichte sei Literatur gar nicht denkbar. Außerdem nehme die Autorin auf diesen „Echoraum“ doch auch Bezug. „Was für ein Spiel wird hier gespielt?
Kellers Antwort: „Ein postmodernes Trashspiel!“