Georg Petz (A) Jurydiskussion

Georg Petz las auf Einladung von Hildegard Elisabeth Keller in Klagenfurt. Er war zugleich der letzte Autor in diesem 38. Jahr des Wettbewerbs. Die dritte Erzählung über die Liebe an diesem Lesevormittag, aber einer die bei der Jury durchfiel.

Georg Petz (Bild: Johannes Puch)Georg Petz (Bild: Johannes Puch)

"Millefleurs" - Eine Frau, zwei Männer und ein Schwimmwettbewerb, der zum Kampf auf Leben und Tod wird, und alles für den einen, oder den anderen Mann entscheiden soll.

"Respekt vor der Größe der Aufgabe"

Meike Feßmann bekundete „Respekt vor der Größe der Aufgabe“, der sich der Text gestellt habe: Dieser erzählt die Konkurrenzgeschichte zweier jungen Männer, eingebettet in die Historie des 2. Weltkriegs. Beides werde ineinander verschachtelt, es gehe um Macht und Männlichkeit. Doch der Text bewältige das sprachlich nicht. Er habe vielmehr eine Neigung zur „Literarisierung und Poetisierung“, die Bilder wären „übertrieben blumig und blasig“. Dabei gebe es viele Stellen, wo die Metaphern und Bilder aus dem Ruder laufen würden. „Das ist des Guten zu viel, weil er das Grundbild Millefleurs überall anbringen will – selbst wenn es vom Ich-Erzähler so gewollt wird, weil der selber rudert und paddelt, während er kämpft.“

"Völlig überladener Text"

Hubert Winkels fand die Kritik seiner Kollegin „noch entgegenkommend“. Das sei ein „wahnsinnig enger Text“, und bis ins Detail „völlig überladen“. Dem Leser blieben damit keinerlei Freiheiten, dieser sei „eingeschnürt“. Die mit Abstand „schlechteste“ Begegnung von Liebe und Krieg, die es heuer beim Bewerb gegeben habe: „Mir verursacht das leichte Atemnot beim Lesen und Zuhören“.

Juri Steiner erinnerte sich daran, dass es sich bei Millefleurs auch um ein Teppichmotiv handle, bei dem es tausend Streublüten gebe. Für den Autor sei die Blicksteuerung zentral, er habe es schön gefunden, „über die Szenerie zu fliegen“, auch wenn es viele dekorative Ornamente gebe, in denen das zentrale Thema des Textes zu verschwinden drohe.

Publikum (Bild: Johannes Puch)Publikum (Bild: Johannes Puch)

Keller verteidigt "ihren" Text

„Tut mir leid, dass einige das Weihrauchfässchen schon ausgepackt haben“, sagte da Hildegard Elisabeth Keller, die den Text eingeladen hatte. Ihr habe der Text gut gefallen, und auch Olga Flor – die in ihrem Text ebenfalls Liebe und Krieg verhandelte - tue die Jury Unrecht. Ein Text müsse eine Szenerie wählen, hier gehe ein Austauschstudent eben in die Normandie und lerne eine Französin kennen. Der Erzähler sei ein „lyrisch gestimmter Mensch“, habe ein „Sensorium für die Landschaft“, in die Weltgeschichte eingeschrieben sei. „Ein letztes Aufbalzen“ zwischen zwei Männern bahne sich an, das alles am Strand des „Decision-Day“ – für sie sei diese Überlagerung von Welt- und persönlicher Geschichte „sehr überzeugend“ gelöst.

Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)

Spinnen: Gefühl von unfertigem Text

„In der Regel sehe ich mir einen Text an als Autor und weiß, es ist nie ein fertiger Text. Hier kommt es mir so vor: He, das ist ein interessanter Typ, aber jetzt leg doch bitte mal deine Uniform und den Mantel des Eroberers ab“, so Burkhard Spinnen. „Unten drunter“ gefalle ihm die Geschichte, in der es darum gehe, dass unsere globalisierte Welt eben doch nicht nicht so global sei, wie es oft den Anschein habe, denn „das lässt sich historisch-national noch hochrüsten“. Mit dem D-Day gehe es an einen historischen Ort Europas, in der ein Mann mit dem Jugendfreund seiner Verlobten konfrontiert werde. Das sei „alles gar nicht so schlecht“, da „könnte man etwas daraus machen“, aber: „Die vielen Metaphern steigen sich gegenseitig auf die Füße“. Wenn er sich die Szene des Kampfes genau ansehe, dann könne er beweisen, dass es dem beschriebenen Kampf im Wasser an Präzision fehle. „Ich hätte gerne gewusst was passiert und wo, wenn die sich gegenseitig angreifen – das ist doof.“

"'Kunsthandwerk' drängt sich auf "

Ganz die Meinung von Hubert Winkels und Meike Feßmann: Man verstehe nicht, wie der Kampf körperlich ablaufe.
Daniela Strigl gab zu, sich nicht gerade zu einer Wortmeldung „gedrängt“ zu fühlen, sie müsse aber dennoch Farbe bekennen. Das sei die „schwerblütige, internationale Antwort auf Jules und Jim“. Die Szenerie habe zwar ihren Reiz, aber man verstehe bald selbst, warum die Protagonisten die Sache bald selbst „langweilig“ finden, wie es im Text heiße. Denn die Historie sei als literarischer Untergrund hier viel zu präsent. Am meisten gestört habe sie aber, dass ein Kämpfender währendes Kampfes nicht ständig „lyrische Gedanken“ produzieren könne. Ihr dränge sich hier das bereits von Juri Steiner angedeutete „Kunsthandwerk“ auf. Das Gute an der Geschichte sei aber: beide Männer kämen ohne tragisches Ende aus - „der Untergang findet gottlob nicht statt“.

"Text überfordert sich selbst"

„Was für ein schönes Schlusswort“, meinte daraufhin Arno Dusini, um aber gleich noch selbst nachzulegen. Der Text sei schon in der Anlage „schwierig“ und „überfordere“ sich mit seiner Aufstellung: Krieg, Nationalismus, Körper und Macht. „Da wo es nicht zusammengeht springt die offensive Poetisierung ein“. Ein „Schlachtfeld-Tourismus“ im Sinne Karl Kraus`, so Dusini, der die Frage stellte, ob das Verhältnis der sprachlichen Mittel zum großen Thema angemessen sei.

Hier meldete sich noch einmal Hildegard Keller zu Wort: Die Überpräsenz der Erinnerung im Text sei dem Umstand geschuldet, dass es diese überfrachtete Erinnerungslandschaft in Frankreich auch in Wirklichkeit gebe.

„Ja, aber eine Miesmuschel sollte trotzdem unschuldig bleiben dürfen“, widersprach Strigl.

Kellers Argument konnte Hubert Winkels aus eigener Erfahrung zustimmen: Diese „Erinnerungsverpflichtung“ setze einen vor Ort „unter Druck“,. Man werde überwältigt von Geschichte – das als Thema hätte im Text zwar „gut“ werden können, sei hier aber nicht ausgeführt.
Keller widersprach: Der Text tue das sehr wohl. Außerdem deutete die Jurorin an, dass der Text ungerecht beurteilt werde, weil es die dritte Liebesgeschichte an diesem Vormittag sei, und sich die Kollegen zu wenig auf den hier vorherrschenden Ton „umgestellt“ hätten. Es gebe im Text „große Meditationen über die Natur, das bedinge den „total anderen Tonfall“.

Feßmann widersprach Kellers „Lesereihenfolge“-Theorie: Ihr habe der Text zuhause auch nicht besser gefallen.