Egyd Gstättner zum zweiten Lesevormittag der TDDL 2010

Gestern Abend, beim Empfang der Stadt Klagenfurt für ihre Bachmannpreis-Gäste im Schlossgarten von Loretto mit Blick auf den nächtlichen See, habe ich festgestellt, dass es auch bei uns sehr viele "Tifosi" gibt. Sowohl in Klagenfurt, als auch in Südafrika spielen sich derzeit Schicksalsdramen ab. Aber während in Klagenfurt noch alle im Bewerb sind, scheidet am Kap der guten Hoffnung nun ein Teilnehmer nach dem anderen aus: Gestern eben Italien.

Viele haben gestern beim Buffet deswegen so geweint, dass sie noch heute beim Bachmannpreis dunkle Brillen tragen und zwischen den Lesungen anregen, Marcello Lippi zu Prosciutto zu verarbeiten. Ernst ist der Fußball, heiter die Kunst.

Während sich gestern alle Lesenden - drei Deutsche, zwei Schweizer - an die ungeschriebene Bachmannpreis-Grundregel "Kein Spaß. Kein Sex!" hielten, war heute der erste von zwei Österreichern an der Reihe, Thomas Ballhausen. Und prompt brach er die Regel - ein bisschen. Zwar war noch kein Spaß, aber, wie Juror Alain Claude Sulzer diagnostizierte, "der erste Text, in dem (ein ganz klein wenig) Sex vorkommt." Daraufhin lachten sämtliche Intellektuelle im Bierzelt vor dem ORF-Theater hysterisch auf.

Der erste Österreicher hat seine Chancen also schon verspielt, obwohl eigentlich nur vom "Unterleib einer Frau als geöffnetes Buch" die Rede war: meiner Meinung nach eine eher ungenaue Beobachtung!

Burkhard Spinnen hat das Mangelhafte des Textes trefflich beschrieben: "Sexszenen in Prosa sind wie Lyrik. Ein (falsches) Wort kann alles vernichten: Hier das Wort 'Gesäß'". Herr Ballhausen wird nun weinend zurück nach Wien fahren und in sein Notizbuch sämtliche Worte eintragen, die man statt "Gesäß" verwenden könnte.

Beim Schreiben ist die Wortwahl nicht unbedeutend! Bei einem Text über Trinker das Wort "Gefäß" vermeiden, bei der Beschreibung einer Romanze das Wort "Gütertrennung", bei einem Italientext zukünftig den Namen Marcello Lippi!

Nach drei deutschen Teilnehmern wird den heutigen Tag der 2. Österreicher und 1. Kärntner in Personalunion beschließen, sodass ich fürchte, da werden alle Regeln gebrochen. Aber dazu am Nachmittag mehr.

Gsättner als fliegender Reporter