Egyd Gstättners satirische Einblicke 2010
Jedes Jahr wird der Bachmannpreis von einem schönen Programmheft begleitet, in dem alle Autoren, Juroren und sonstigen Teilnehmer vorgestellt werden, auf Seite 33 u.a, auch ich in meiner Funktion als "fliegender Reporter".
Genau darunter steht folgendes Bachmannzitat: "Ein Schriftsteller hat nicht dafür zu sorgen, von vornherein zu wissen, worum es sich dreht, natürlich dreht es sich in jeder einzelnen Erzählung um etwas, dreht sich, wenn Sie wollen...
Zeit, daß sich was dreht, sozusagen, um mit Herbert Grönemeyer zu sprechen. Man hört es: Fußball-WM und Bachmannpreis finden parallel statt, und viele anwesende Deutsche sind heuer mit einem Auge doch in Südafrika. Aber während die deutschen Fußballer Özil, Cacau oder Boateng heißen, heißen die deutschen Dichter doch noch Max Scharnigg, Peter Wawerzinek oder Volker Altwasser.
Der Bachmannpreis wird immer mehr zur "Marke". Jetzt hat auch eine deutsche Journalistin ein Buch mit dem Titel "Wie man den Bachmannpreis gewinnt" geschrieben. In 4 Worten zusammengefaßt, lautet ihre Empfehlung: "Kein Spaß! Kein Sex!"
Als erste Autorin hat heute die junge Ostdeutsche Sabrina Janesch gelesen. Leitmotivisch widerkehrende Worte in ihrem Text waren "Großvater", "Gallizien", "Waldrand", "Hof", "Dachboden", "Kopf" und "Galgen". Der Jury hat es nicht gefallen, aber das Wichtigste war: Kein Spaß! Kein Sex! Also sind die Chancen der Autorin noch intakt.
Dann kam Volker H. Altwasser, auch aus dem deutschen Osten, der bereits den historischen Roman "Letzte Haut" und den Abwrackroman "Letztes Schweigen" vorweisen kann. Thema seines Hochseeepos "Letzte Fischer" ist die Kurznasenseefledermaus bzw. die Kunst des Häutens der Kurznasenseefledermaus auf dem Schiffskutter "Saudade" bzw um das Psychodrama eines Hamlets auf oher See: Fischwirt werden oder Kurnasenseefledermausenthäutungsspezialist bleiben, das ist hier die Frage!
Die Jury blieb indifferent, aber wiederum: Kein Spaß! Kein Sex! Also weiterhin alles bestens!
Jedes Jahr werden beim Bachmannpreis Revolutionen oder Revolutionäres angeregt: Letztes Jahr zum Beispiel forderte Josef Winkler eine Stadtbiobiothek und ich einen Jonke-Preis. Es setzte viel Applaus und sonst nichts, also genau das, was ich erwartet habe. Revolutionen, die nicht stattfinden, fressen wenigstens auch ihre Kinder nicht.
Irgendwelche überraschende und erfreuliche Neuerungen gibt es aber doch immer: heuer etwa - die WM läßt wieder grüßen - ein Bachmannpreis- Public-Viewing im idyllischen Lendhafen, vielleicht 200 Meter vom eigentlichen Ort des Geschehens entfernt. Da habe ich den heutigen Nachmittag konsumiert - und genossen. An einem schönen Sonnentag wie heute im Lendhafen, im Schatten eines Kastanienbaums direkt am Wasser zu sitzen, an einem der weißbetuchtenTischchen auf dem Kies eine Melange und ein Glas Wasser zu trinken, auf die kleine weinrote Bühne zu blicken, die unter den Elisabethsteg hineinreicht und auf der ein Flat Screen steht, und so die Lesungen zu verfolgen - das hat schon was!
Ein Cafè - so die Grundregel der österreichischen Kaffeehausliteratur - darf nur zu einem Viertel gefüllt sein, sonst verliert es seine Gemütlichkeit. Trotzdem lade ich Sie ein, speziell wenn Sie in Klagenfurt leben, einmal im Lendhafen vorbeizuschauen und die Atmosphäre zu genießen.
Heute war Schweizer Nachmittag: Die Schweizer sind noch im Bewerb, stehen aber sozusagen mit dem Rücken zur Wand. Daniel Mezger erzählt von einem Mann, der seine depressive Frau nicht verlassen kann, weil er fürchtet, daß sie sich dann umbringt. Kurzum: Kein Spaß. Kein Sex.
Zwischendurch radelt der neue Klagenfurter Stadtschreiber Karsten Krampitz auf einem der städtischen Leihfahrräder durch den Lendhafen. Und dann liest die junge Dorothee Elmiger einen postapokalyptischen Text, der mir sehr gut gefallen hat. Vielleicht hat mir auch nur die Autorin gut gefallen. Man muß da höllisch aufpassen, um nichts durcheinander zu bringen. Es geht, abgesehen davon, daß es um nichts mehr geht, um entdeckte und wieder verschwundene Flüsse, Streiks im Kohlerevier, ein Pferd namens Batailles, um das ins Sein Geworfensein und aus dem Sein Gepurzeltsein. Aber vor allem: Kein Spaß. Kein Sex. Auch die Schweizerinnen sind ehrgeizig und gewissenhaft. Alle wollen gewinnen!
Gstättner als fliegender Reporter