"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


1994 Informationen zum Bachmannpreis 1994 Übersicht über die JurorInnen 1994 Übersicht über die AutorInnen 1994

Das Siegerfoto 1994. Von links: Reto Hänny, Stefanie Menzinger und Raoul Schrott. Foto: ORF/Eggenberger


Ingeborg-Bachmann-Preis
ATS 200.000

Reto Hänny
"Guai"

Foto: Eggenberger

 

Preis des Landes Kärnten
ATS 100.000

Raoul Schrott
"Ludwig Höhnel - Totenheft"

Foto: Christine Ljubanovic


Ernst Willner Preis
ATS 80.000

Stefanie Menzinger
"Der Gärntner, der Kater und ich"

Foto: privat


Bertelsmann-Stipendium
DM 7.000

Ruth Schweikert
"Fünfzig Franken"

Foto: Nicole Soland


3sat-Stipendium
DM 6.000

Doron Rabinovici
"Mullemann"

Foto: ORF Kärnten


Vergessen Sie alles, was Sie bislang über den Bachmannpreis 1994 gelesen haben, vor allem die feuilletonistischen Machwerke, die aus der Feder von sattsam bekannten Neidern, notorischen Nörglern und dubiosen Destrukteuren stammen.

In Wahrheit war der Bachmannpreis 1994 ohne jede Übertreibung das literarische Ereignis schlechthin, auch wenn sich die Veranstaltung selbst in sympathischer Bescheidenheit als "Nachwuchsfestival" bemannpreisliteratur weder kategorisch noch dezidiert ausschließt, eine captatio benevolentiae, welche aber insofern gar nicht nötig wäre, als selbst die pragmatisierten Götter von Stifter bis Thomas Mann, die von der olympischen Jury immer wieder angerufen werden, nicht allzu oft derart hoch dotierte Preise einheimsen konnten wie den hier zu feiernden.

Vielleicht wird erst die Generation nach uns entsprechend zu würdigen wissen, welche poetischen Maßstäbe und Meilensteine hier gesetzt wurden. Heute schon lässt sich aber feststellen, dass der Bachmannpreis als Institution für die Literatur unverzichtbar geworden und nicht mehr wegzudenken ist. Der Bachmannpreis mag seine marginalen Tücken haben, aber er tut der Literatur nur Gutes, und er verschafft ihr wie keine zweite Veranstaltung eine breite Öffentlichkeit und ein Millionenpublikum.

Dass diese Öffentlichkeit die Bücher der Teilnehmer, die beim parallel stattfindenden Bücherbazar zum volksnahen Preis von 5,- Schilling angeboten wurden, insofern nicht zu schätzen wusste, als kein einziges Exemplar ("Mängelexemplar") verkauft wurde, ist ein Detail von solch rezeptorischer Niedrigkeit, dass ich es gar nicht erwähnen möchte.

Außerdem wirkt kein zweites Literaturspektakel (im besten Sinn) das Wunder, aus 22 mehr oder weniger zufälligen Autoren, die von elf mehr oder weniger zufälligen Juroren vorgeschlagen wurden, immer wieder Trends für die deutschsprachige Literatur als solche abzuleiten.

Der diesjährige Trend geht bei aller Vorsicht doch hin zum "Erzählen von Geschichten", Geschichten, die am Weg zu Geschichten sind, mit inbegriffen. Wie ein Erdbeben lässt dieses Aha-Erlebnis die literarische Landschaft erzittern, und auch die breite Öffentlichkeit bebt ein bisschen mit. Das nennt man: Aura (Atmosphäre), durchsetzt mit konzentrierten Übermenschen, umrahmt von konzentriertem Publikum.

Nebenbei fällt auch für die florierende Literaturindustrie reiche Ernte (Metapher!) ab: Die jungen Autoren lechzen nach Lektoren, die Lektoren lechzen nach jungen Autoren (wie und wo anders sollte man schon Kontakt bekommen, fragen die Lektoren aus der gähnenden Leere ihrer Schreibtische heraus), das Publikum lechzt nach Lektoren lechzenden Autoren lechzender Lektoren.

Die Texte selbst waren 1994 summa summarum beeindruckend, samt und sonders zielten sie nicht auf billige Skandale ab, sondern präsentierten sich als unaufdringliche Kleinode: Weltlaboratorien, Nachrichten aus dem Dickdarm der Psyche, aus Meran, Leipzig, Garmisch und der Provinz, Vivisektionen der Wahrnehmung, vagabundierend, hinterhältig platt, romantisch-ironisch, phantastisch, spannend, hoffnungslos, mysteriös-hermetisch, resignativ ('in besten Sinn), voller Bedrückungsqualitäten, anything goes, so dass man nach 22 Literaturen in dreieinhalb Tagen wirklich Lust auf Literatur bekommt.

[Egyd Gstättner, Der Standard, 21.6.1994]


Der Preis des Landes Kärnten ging 1994 an Raoul Schrott. Überreicht wurde er von Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Ausserwinkler.

Foto: ORF Kärnten


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