"DIE LUST AM ERZÄHLEN"
25 Jahre Ingeborg-Bachmann-Preis

Ein Rückblick der ORF ON Redaktion Kärnten in Zusammenarbeit mit 3sat und der Telekom Austria.


1995 Übersicht über die JurorInnen 1995 Übersicht über die AutorInnen 1995 Übersicht über die PreisträgerInnen 1995

Der Saal, dank des gleißenden Scheinwerferlichts zum monumentalen Hobby-Grillraum umgestaltet, wurde wie stets von einem heimischen Künstler dekoriert. Auf dem Boden vor dem Halbrund der Preisrichter-Tischchen liegt ein Häuflein gerupftes Allerlei. Sind es die Federn, die fast jeder Bewerber lassen muss? Sei's, wie's sei - der Humbug der Symbolzauberei stört zumindest nicht.

Ullrich Weinzierl


Für die Schutzpatronin des Klagenfurter Lesemarathons, Ingeborg Bachmann, war die "Zugehörigkeit zu dem Orden der Literatur" eine Frage von Leben und Tod, die Verweigerung der Weihen "eine schreckliche Vorstellung, die einem Todesurteil gleichkommt". Die Novizen, die alljährlich an eine Klosterpforte klopfen, haben diese Sorge nicht und unterwerfen sich doch freiwillig dem Initiationsritual.

Man hat die Veranstaltung schon mit einem Fußball- und einem Roulettespiel verglichen, mit Modenschauen, Schaulaufen und gar einem Schauprozess. Unsentimental betrachtet, ist es eine Viehauktion, auf der Züchter und Händler die besten Milchkühe und Preisbullen aus ihrem Stall mit einem Klaps in die Arena schicken. Vor allem aber enthüllt Klagenfurt die Mechanismen und Gesetze des Literaturbetriebs in spektakulärer Nacktheit.

Von welchem Text zeigte sich die Jury dermaßen begeistert? Von links: Wilfried Schöller, Verena Auffermann und Andreas Isenschmid. Foto: ORF Kärnten

Das Zittern des Talents, das sich bang und hoffnungsfroh in die freie Wildbahn wagt; die Temperamente und taktischen Plänkeleien der Kritiker, die sich über die Schulter schauen lassen, ihre Kriterien offenbaren oder manchmal ihre Waffen strecken müssen; das wichtigtuerische Gewese der Agenten, Verleger und journalistischen Trüffelschweine; endlich das Publikum, das sich, unbeeindruckt von den versammelten Autoritäten, seine eigenen Favoriten kürt: Nirgendwo ist "literarische Öffentlichkeit" so transparent wie hier.

Ihre Vertreter, die sich das Jahr über, hinter Büchern und Schreibtischen verschanzt, Fernduelle und -gespräche liefern, lassen im Nahkampf Masken, Hemmungen und Rücksichten fallen; in der Badeanstalt "Maria Loretto" sogar Kleider und Namensschildchen. Dann summt die heiße Luft am Wörthersee von Klatsch und Gerüchten. Und manchmal, ganz selten, halten alle die Luft an, um stumm das Wunder zu bezeugen.

Der junge Gott, der im Jahr 19 des Ingeborg-Bachmann-Preises aus Vöcklabruch herabstieg, nannte sich Franzobel und hielt sich linkisch an einer Bierflasche fest. Und siehe, der Jüngling entfachte, in Rimbaud-Pose und mit dem Schlachtruf Mallarme auf den Lippen, ein tolles Klanggewitter, das Publikum wie Jury auf die Knie zwang.

[Martin Halter, Badische Zeitung, 4.7.1995]


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