Josef Kleindienst
Josef Kleindienst wurde 1972 in Spittal/Drau geboren und lebt in Wien. Er studierte Philosophie, Theaterwissenschaften, Deutsche Philologie und Spanisch an den Universitäten Wien und Amsterdam und an der Universität für angewandte Kunst in Wien.
Kleindienst wurde von Karin Fleischanderl nach Klagenfurt geholt.
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Videoportrait
Video: Anna Ceeh
Kamera: Wolfgang Haas
Musik: Infra Red Army
Ausflug
Das Seil befestigte er an der Stoßstange und dann band er das andere Ende um ihren Hals. Es war ein frühherbstlicher, sonniger Tag und die Wälder rundherum waren still. Er starrte auf ihren zierlichen Hals, an dem nun das Seil baumelte. Dann drehte er sich um und stieg in das Auto. Albert, der die ganze Zeit über im Wagen gesessen war, schaute ihn nur dämlich an, als er den Zündschlüssel umdrehte. „Du wirst sie noch umbringen“, meinte Albert, während er sich eine Zigarette anzündete. „Ach was, sie ist eine gute Läuferin“, entgegnete Wolfgang. Dann startete er das Auto, einen alten Ford Mustang. „Und was machen wir mit ihr, wenn alles vorbei ist?“, wollte Albert wissen. „Sie wird schon nichts sagen, ich kenne sie.“ „Und wenn doch?“ „Ach sei nicht albern, das ist doch bloß eine kleine Spazierfahrt. Ihr macht es doch auch Spaß“, erwiderte Wolfgang. Albert zog unruhig an seiner Zigarette. Dann drehte Wolfgang das Radio auf und schaute noch mal zu Silke, die noch immer mit dem Seil um den Hals in der Wiese stand. Er legte den Gang ein und stieg auf das Gaspedal, die Reifen begannen sich zu bewegen und langsam zog das Seil an.
Als sie gestern auf Silke gewartet hatten, war ihm unvermittelt der Entschluss dazu gekommen. Er hatte keinen guten Tag gehabt und ihm war eingefallen, dass Silke ihm noch immer zwanzig Euro schuldete. Wenn sie ihm die nun nicht zurückgeben konnte, dann sollte sie die zwanzig Euro abarbeiten, dachte er. Albert stand neben ihm und zog an seiner Zigarette. „Entweder sie zahlt oder sie arbeitet“, murmelte Wolfgang vor sich hin. „Schau, da kommt Silke“, rief Albert und blies den Rauch aus. Wolfgang drehte seinen Kopf und sah, wie sie über die Bahngleise trottete. Silke winkte ihnen zu. Weit hinter ihr sah Wolfgang den Zug langsam näher kommen, der ihn aus der Ferne an die Modelleisenbahn seines kleinen Bruders erinnerte. Er blickte über die Felder und dann wieder zu Silke, die nun die Gleise verlassen hatte. Sie trug einen grauen Anorak und dunkelblaue, enge Jeans. „Hallo“, rief sie ihnen zu. „Hast du die zwanzig Euro?“, fragte Wolfgang sofort, ohne ihren Gruß zu erwidern. Silke verzog das Gesicht. Der aggressive Ton in seiner Stimme irritierte sie. „Ich habe dir doch gesagt, dass du sie Ende des Monats bekommst.“ „Das hast du mir schon letztes Mal gesagt.“ „Es sind doch nur zwanzig Euro“. „Na und, aber es sind meine zwanzig Euro“, wurde Wolfgang wütend. Albert schaute beide erstaunt an. Er wusste nichts von den zwanzig Euro und er fühlte sich übergangen, da ihm Wolfgang sonst auch immer alles erzählte. Er blickte auf Silke, die ihn verlegen anlächelte. „Wollten wir nicht in die Stadt fahren?“, versuchte Silke vom Thema abzulenken und schaute wieder zu Wolfgang. „Ja, aber jetzt habe ich keine Lust mehr dazu“, antwortete er schroff und steckte seine Hände in die Hosentaschen. In den Blicken von Wolfgang spürte sie etwas Bedrohliches. Sie hatte sich schon öfter Geld von ihm ausgeborgt und es auch jedes Mal wieder zurückbezahlt. Daher verstand sie nicht, warum er sie plötzlich so unter Druck setzte. Der Zug hielt mit lautem Gequietsche. „Steigen wir nun ein, oder nicht?“, wollte Albert wissen. Wolfgang überlegte kurz und ging dann auf den Zug zu. Albert folgte ihm, während Silke zögerte; erst als Albert sich nach ihr umdrehte, stieg sie ebenfalls in den Zug ein.
Sie gingen durch zwei leere Waggons, und setzten sich schließlich in die hinteren Reihen des letzten. „Wir haben einen ganzen Zug für uns alleine“, bemerkte Albert. Wolfgang reagierte nicht, sondern starrte auf Silke, die ihm nun gegenübersaß. Er wandte den Blick nicht von ihr, mal hefteten sich seine Augen an ihre Oberschenkel, dann wieder blickte er ihr gerade ins Gesicht. „Entweder du zahlst jetzt, oder du wirst die zwanzig Euro abarbeiten“, hörte sie leise, aber bestimmt, seine Stimme. „Was?“ „Du hast mich schon verstanden.“ Albert schaute ihn verblüfft an. So hatte er Wolfgang noch nie sprechen gehört. „Was meinst du damit?“, wollte Silke wissen, während sie verlegen lächelte. Wolfgang verzog keine Miene, sondern hielt ihrem Blick stand. „Du wirst die zwanzig Euro abarbeiten“. Die Ruhe in seiner Stimme verwirrte Silke vollends, sie blickte um sich und hielt verunsichert nach dem Schaffner Ausschau. Aber es war einer jener vollautomatisierten Züge, die keinen Schaffner mehr hatten. „So, und wie?“, wollte Silke wissen. Albert spürte nun die Angst von Silke. Gern hätte er sie verteidigt, aber die Entschlossenheit von Wolfgang vermittelte ihm, dass er auf verlorenem Posten wäre. „So wie Frauen in der Regel bezahlen.“ Mit einem Satz war Wolfgang aufgestanden und hatte sich neben Silke gesetzt. „Du bezahlst, so wie Frauen bezahlen“, wiederholte er nochmals. „Du spinnst“, entfuhr es Silke, die nun den Platz wechseln wollte. Doch Wolfgang drückte seine Hand entschlossen auf ihren Oberschenkel. Sie kannte Wolfgang seit ihrer gemeinsamen Schulzeit, sie wusste, dass er jähzornig war und sich gern mit anderen Jungs prügelte, aber nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, dass er sich ihr auf diese Weise nähern könnte. Sie saß eingepfercht zwischen Wolfgang und Albert. Albert war vollkommen verstummt, als würde ihn die Sache nichts angehen. „Warum sagt er nichts“, dachte sich Silke und schaute zu ihm. Doch er starrte nur aus dem Fenster. Wolfgang drehte sich zu ihr und wollte sie küssen. Seine Lippen waren ganz nah und sie spürte seinen Atem, der nun sehr schnell war. „Bist du verrückt“, zischte sie ihn an. Doch sie spürte seine Hände nur umso kräftiger auf ihrem Oberschenkel und langsam schob er seine rechte Hand zwischen ihre Beine. Sie versuchte ihn mit aller Kraft wegzudrücken, dabei liefen ihr ein paar Tränen über die Wangen. Plötzlich glitzerte die Klinge eines Messers vor ihren Augen. „Bist du verrückt geworden?“, hörte sie nun Albert. „Halt dich da raus!“, entgegnete Wolfgang barsch. „Du kannst auch ein bisschen Spaß haben, wenn du willst. Sie soll die zwanzig Euro abarbeiten.“ Während Wolfgang sich zu Albert wandte, hielt er mit seiner rechten Hand noch immer das Messer vor Silkes Gesicht. Silke schaute verängstigt zu Albert. Doch der drehte sich einfach weg. „Komm mit“, forderte Wolfgang Silke auf. „Wohin?“ „Komm einfach, passiert schon nichts.“ Er zog sie an der Hand hoch und schubste sie vor sich her. Er öffnete die Toilettentür und drückte sie auf den Sitz. Sie glotzte ihn an. Er kam ihr nun mindestens zwei Meter groß vor, plötzlich öffnete er den Reißverschluss seiner Hose und sein steifer Penis ragte hervor. Mit diesem abstehenden Ding schaute er lächerlich aus. „Was schaust du so?“, wollte er wissen. „Dein Schwanz ist echt groß.“ Wolfgang blickte auf seinen Schwanz, dann wieder zu Silke, die noch immer auf der Klomuschel saß. Kurz trafen sich ihre Blicke.
„Gut, aber dann lässt du mich in Ruhe, und steck das Messer weg“, sagte sie nach einiger Zeit zu ihm. Als er ihre Lippen spürte, steckte er das Messer wieder in seine Hosentasche und blickte zur Decke, wo das Licht flackerte.
Kurze Zeit später saßen sie wieder im Abteil. Albert reagierte zuerst gar nicht, als Silke und
Wolfgang zurückkamen, sondern blickte sie nur gelangweilt an. Wolfgang wirkte nun wieder entspannt, eigentlich so wie immer, und auch das Verhältnis zwischen Wolfgang und Silke schien sich entspannt zu haben, zumindest kam es Albert nun so vor, als sie sich wieder auf ihre Bänke setzten. Niemand von ihnen sprach. Plötzlich aber küsste Silke Wolfgang und versuchte ihren Körper eng an seinen zu schmiegen. Wolfgang spürte, dass Silke am ganzen Körper zitterte. „He was soll das, es hat niemand gesagt, dass du dich an mich ranmachen kannst“, stieß er sie weg. Sie fiel zurück auf ihren Sitz und begann zu weinen. Albert schaute sie mitleidig an. Als er Silke so sah, bekam er eine große Wut auf Wolfgang und hätte ihm am liebsten seine Fäuste ins Gesicht gehämmert. Aber er blickte nur weiter ohne sichtbare Erregung zu Wolfgang und dann hinüber zu Silke. Silke war kaum zu beruhigen, immer wieder brach sie in Weinkrämpfe aus. „Kannst dich nicht ein bisschen zusammenreißen“, fuhr Wolfgang sie an. Silke wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Der Ton, in dem Wolfgang mit ihr redete, schmerzte sie viel mehr als das, was zuvor auf der Toilette geschehen war.
Wolfgang schaute eine Zeitlang gedankenverloren aus dem Fenster und richtete dann seinen
Blick auf Silke. „Du kannst nochmal froh sein. Weißt du, eigentlich ist hier niemand.“ Silke starrte ihn an. Seine Nase war leicht gebogen, was ihr zum ersten Mal auffiel. An der nächsten Station waren sie an ihrem Ziel angekommen. Silke wollte aufstehen, aber Wolfgang drückte sie unsanft in ihre Bank zurück. „Wir fahren weiter“, befahl er. Albert schaute ihn fragend an. „Was?“ „Wir fahren weiter, wir fahren nach Salzburg.“ „Was machen wir in Salzburg?“, wollte Albert wissen. „Ich war schon lange nicht mehr in Salzburg und Salzburg ist eine schöne Stadt“, erwiderte Wolfgang. „Ich steig aber aus“, sagte Silke nun bestimmt und erhob sich erneut. „Du fährst mit. Du hast jetzt noch genau sechzehn Euro Schulden. Vier hast du abgearbeitet“, erklärte ihr Wolfgang trocken. Silke riss sich los, doch Wolfgang schnappte sie an der Hand und zog sie zurück. Er küsste sie, dann schob er sie zwischen seinen Körper und den schmächtigen Körper von Albert. „Vielleicht solltest du sie auch mal küssen. Probier doch mal!“, forderte er seinen Freund auf. Aber der glotzte ihn nur an. Der Zug fuhr wieder ab. Draußen sah man die Gebäude wie große dunkle Gespenster vorbeiziehen. „Küss doch Albert mal“, lachte er. „Das wären dann, sagen wir, fünfzig Cent.“
Albert schaute weiter aus dem Fenster, so als hätte er die Aufforderung von Wolfgang nicht gehört. „Hast du nicht verstanden, du sollst ihn küssen“, befahl er in vollkommen veränderter Stimmlage. Silke drehte sich zu Albert und küsste ihn auf die Wange. „Nein, richtig sollst du ihn küssen. Mit Zunge und so.“ Albert schaute zu Silke. Er war noch nie von einer Frau geküsst worden. Er spürte den Speichel an seiner Wange. Jetzt spürte er ihre Lippen auf seinen Lippen und dann spürte er ihre Zunge, die in seinen Mund einzudringen versuchte, im Hintergrund sah er das breite Grinsen von Wolfgang. Und dann spürte er ihre Hände, die sich um seine Schultern legten und irgendwie hatte er das Gefühl, als würde sie ihn um Hilfe bitten. Aber dann zerrte Wolfgang sie wieder zurück. „Es ist genug. Das machst du wohl besonders gern, du Schlampe.“ Silke sah ihn hasserfüllt an und spuckte ihm ins Gesicht. Der Speichel rann ihm über die Stirn, dann langsam runter zu seinen Wangen. Mit einer Armbewegung wischte er ihn wortlos in seine Jacke. Sie erwartete eine Reaktion, aber es kam nichts, er saß einfach nur da und schaute sie an. Irgendwie erinnerte er sie an ihren Vater, der sie auch manchmal schlug, früher, als sie jünger war, öfter, jetzt nur mehr sehr selten.
Sie schwiegen. Der Zug hielt. Aber niemand stieg ein. Albert spürte noch immer die Lippen von Silke auf seinem Mund, die nun still und in sich gekehrt zwischen ihnen saß. Wolfgang starrte mit entschlossenem Blick nach vorne. Plötzlich sprang Silke auf und versuchte abzuhauen. Blitzschnell fasste Wolfgang nach ihren Armen und zog sie zurück. „Wir sind noch nicht fertig“, drohte er. Sein Atem ging schnell. Er drückte sie auf die Bank und fuhr mit seiner Hand über ihre Wangen. Dann zog er mit einer schnellen Bewegung ihren Pullover hoch und streichelte ihren Bauch. Wieder sprang Silke auf und diesmal schaffte sie es, sich von ihm loszureißen. Sie rannte in Richtung Waggontür, aber noch ehe sie die Tür öffnen konnte, hatte Wolfgang sie wieder eingeholt. Sie begann mit ihren Händen auf ihn einzuschlagen. Doch Wolfgang fasste sie mit seinen kräftigen Armen um den Bauch und trug sie zurück. „Kannst du nicht auch ein bisschen aufpassen“, schnauzte er Albert an. „Ja, ist schon gut“, sagte Albert und drückte nun auch seine Hand auf Silkes Oberschenkel. Es kam ihm vor, als würde er ihre Haut unter dem Stoff spüren. Wolfgang nahm wieder das Messer aus seiner Tasche und hielt es Silke vor die Nase. „Wenn du das nochmal machst, ritze ich dir was ins Gesicht.“ Silke spürte ihren Herzschlag, der schnell und heftig ging. „Was willst du, sollen wir nochmal aufs Klo gehen?“, fauchte sie ihn an. „Hast du gehört? Vielleicht gehst du mal mit ihr“, lachte Wolfgang, ohne Silke weiter zu beachten. Albert blickte auf das Messer, das Wolfgang noch immer in seiner Hand hatte und mit dem er vor Silkes Gesicht herumfuchtelte. Er hatte nun tatsächlich Lust bekommen, mit Silke auf die Toilette zu gehen. Wenn sie es mit Wolfgang machen konnte, dann könnte sie es bestimmt auch mit ihm tun. Vielleicht gefällt es ihr ja wirklich. Wolfgang begann an Silkes Ohrläppchen zu knabbern. Ruckartig wendete sie sich ab. „Gefällt dir das nicht.“ Sie spürte wieder ihren Herzschlag und plötzlich schrie sie hysterisch, während ihre Fäuste auf Wolfgang losschlugen. Wolfgang erwischte sie nun an ihren langen Haaren, riss sie zu Boden und drückte seinen Fuß auf ihren Kopf, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte. „Bist du jetzt irr geworden, oder was“, fuhr ihn Albert an, während er auf Silke starrte, deren Gesicht komisch verzogen unter dem Schuh von Wolfgang lag. „Lass sie doch!“ „Schau nur, was sie gemacht hat.“ Albert blickte auf Wolfgang, der mit einer Hand seine blutende Nase betastete. Wolfgang zog Silke kräftig an den Haaren und zerrte sie hoch. „Gut, wir sind jetzt wieder bei zwanzig Euro“, sagte er, als sie wieder neben ihm saß. „Das verstehst du doch?“ Silke nickte. „Dann ist ja gut.“ Still saßen sie auf ihren Plätzen. Wolfgang wischte sich mit einem Taschentuch, auf das er zuvor kräftig gespuckt hatte, das Blut weg. Silke beobachtete ihn dabei. Albert schaute aus dem Fenster, wo er vereinzelt Straßenlaternen vorbeiziehen sah, als der Zug in die Station der nächsten Stadt rollte. Auf einmal packte Wolfgang Silke unsanft am Arm und zog sie hoch. „Wir steigen aus“, befahl er und schob sie vor sich her. Albert blickte überrascht zu Wolfgang und folgte ihnen dann. Es war spät am Abend und der halbvolle Mond thronte über dem Bahnhofsgebäude. Weit und breit war niemand zu sehen. Der Zug rollte ohne sie davon. „Und jetzt?“, wollte Albert wissen. „Keine Ahnung, schauen wir mal. Und wehe, du kommst auf dumme Gedanken“, meinte Wolfgang zu Silke, die eingeschüchtert neben ihm stand.
Sie gingen in den Bahnhof. Der Verkaufsschalter und der Tabakladen waren geschlossen. Draußen vor dem Bahnhof huschten vereinzelt Leute vorbei. Wolfgang blickte sich um. Er schubste Silke vor sich her in Richtung Toilette. Albert folgte ihnen mit langsamen Schritten. Vor dem WC setzten sie sich auf eine alte, mit Kritzeleien verzierte Holzbank. „Und was machen wir hier?“, wollte Albert wissen, dem jetzt kalt geworden war.„Silke wird jetzt ihre Schulden abarbeiten“, erwiderte Wolfgang in gelangweiltem Ton. „Wie meinst du das?“ „Na Silke wird arbeiten.“ Wolfgang drängte seinen Körper an Silke und legte seinen Arm um sie. „Silke wird das machen, was sie besonders gern macht.“ In diesem Moment torkelte ein älterer Mann mit einem Bierbauch auf sie zu. Ohne sie zu beachten, öffnete er die Toilettentür. Wolfgang gab Albert mit dem Kopf ein Zeichen und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Albert schaute ihn überrascht an, blickte dann kurz zu Silke, die still daneben saß, erhob sich und folgte dem Mann. Einige Minuten später kam er wieder zurück. Er nickte Wolfgang zu. Daraufhin zog dieser Silke hoch und zerrte sie auf die Männertoilette. Albert nahm wieder auf der Bank Platz. Nervös schaute er sich um.
Silke starrte auf den weißen Fliesenboden. Sie hörte die Spülung des Pissoirs und als sie aufblickte, stand der Mann vor ihr. Er mochte schon über fünfzig sein und schaute sie ernst an. „Du bläst ihm jetzt einen. Dann kannst du gehen. Dann sind wir quitt“, flüsterte Wolfgang Silke zu, während er sie festhielt. „Das ist sie also“, meinte der Mann, nachdem er sie gemustert hatte. Wolfgang deutete mit einer Kopfbewegung auf die Toilettentür, die der Fremde öffnete, dann stieß er Silke rein. „Zehn Minuten, verstehst du“, rief Wolfgang ihnen noch hinterher. Die Tür wurde von innen versperrt. Silke spürte den nach Bier stinkenden Atem. Hinter ihr war die Klomuschel und sie hatten kaum genügend Platz um stehen zu können. Der Mann, versuchte sie sofort zu küssen. Sie spürte seine Hände an ihrem Busen. Sein Speichel tropfte auf ihren Hals. Dann knöpfte er seine Hose auf und ließ sie runterrutschen. Sie starrte auf sein Geschlechtsteil, das schlaff unter seinem runden Bauch hing und das er nun in seine rechte Hand nahm. Wieder versuchte er Silke zu küssen. Er drückte ihren Kopf zu seinem Penis. Ekel überkam sie und als er merkte, dass sie sich ihm widersetzte, drückte er seinen Körper gegen ihren. Seine Hand rieb heftig an seinem Geschlechtsteil. Sie spürte seinen Atem, der nun immer schneller ging. Als er kam, drückte er sie ganz fest an sich, während das Ejakulat auf ihre Hose spritzte. Nachdem er einen Moment still verharrt war, zog er seine Hose hoch und ohne sie nochmals anzusehen, öffnete er die Tür und ging. Silke sperrte von innen wieder zu und setzte sich auf die Klomuschel. Sie hörte Wolfgangs aggressive Stimme, der zu dem Mann sagte, dass fünf Euro zu wenig seien, da er die Zeit überzogen habe und es jetzt zehn ausmache. Kurz danach klopfte es an ihrer Tür. „Du kannst rauskommen“, forderte Wolfgang sie auf. Sie rührte sich nicht. „Hörst du, du sollst rauskommen.“ Wenige Augenblicke später sah sie Wolfgangs Hände, die sich von oben herab, von der Nachbartoilette her, nach ihr streckten und kurz darauf sein Gesicht. „Bist du taub oder was oder muss ich jetzt runterkommen?“ Silke erhob sich zaghaft und sperrte die Toilette auf. „Und, hat es Spaß gemacht“, lachte er. „Da hast du einen Kaugummi, zur Desinfektion.“ Sie verließen die Toiletteanlage. Draußen wartete Albert. „Hat es ein Problem gegeben?“, wollte Wolfgang von ihm wissen. Albert schüttelte nur den Kopf und erhob sich von der Bank, ohne Silke zu beachten. Silke schaute Albert missmutig an. „Auf der anderen Seite, nicht weit von hier, gibt es ein paar Spielautomaten. Spielen wir doch eine Runde. Was meint ihr?“, schlug nun Wolfgang in beinahe fröhlichem Ton vor. Albert erwiderte nichts, sondern ging einfach hinter Wolfgang her. „Ja, gut“, sagte Silke auf einmal, was Albert gänzlich verwirrte. Im Spiellokal setzten sich Wolfgang und Silke zu einem Flipperautomaten, während Albert verloren an der Theke stehend ein Bier bestellte. Während er sein Bier trank, beobachtete er, wie Silke konzentriert am Automaten stand, so als hätte vorher gar nichts stattgefunden. Dann spielte Wolfgang. Wütend schlug er auf den Automaten, als seine letzte Kugel versenkt war. Nach einer Stunde verließen sie das Lokal und gingen zurück zum Bahnhof. Silke meinte, dass sie Wolfgang das nächste Mal bestimmt besiegen würde. „Du hast keine Chance“, hörte Albert Wolfgang sagen, als er hinter ihnen herschlenderte. Kurz bevor sie den Bahnhof betraten, hielt Silke inne und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. „Ich bleib lieber noch“. „Was ist, der letzte Zug fährt in zehn Minuten“, erklärte ihr Wolfgang. Schließlich folgte sie ihnen. Argwöhnisch blickte sie sich um, so als würde sie irgendwo in der Nähe eine Gefahr wittern. „Eigentlich haben wir ja einen schönen Abend gehabt“, bemerkte Wolfgang, als sie wieder im Zug saßen. Silke sagte nichts, während sie aus dem Fenster blickte. Die Türen schlossen sich automatisch und der Zug begann langsam anzufahren. Während der Fahrt saßen sie still, jeder in sich gekehrt, auf den Bänken. Als der Zug schließlich in ihren Bahnhof einfuhr und sie das Gebäude erkennen konnten, erhoben sich alle drei. Für Silke war klar, dass sie jetzt nach Hause gehen konnte und umso überraschter war sie, als sie die kräftige Hand von Wolfgang um ihr Handgelenk spürte. „Du schuldest mir noch zehn Euro“, meinte er. „Wir sind quitt“, entgegnete Silke gereizt. „Nein, sind wir nicht.“ Albert sah, wie der Zug abfuhr und verstand wegen des Lärms nicht, worüber sie sich stritten. Als der Zug verschwunden war, war es plötzlich still. Die Sterne leuchteten über ihnen. „Meine Mutter ist dieses Wochenende auf einem Firmenausflug, das Haus ist leer. Ihr könnt mitkommen“, verkündete Wolfgang. „Ich will aber nicht“, entgegnete Silke. „Blödsinn, du kommst mit.“ Wolfgang griff nach ihren langen Haaren und zerrte sie hinter sich her. Albert folgte ihnen einfach, vielleicht auch, weil er Silke nicht mit Wolfgang allein lassen wollte. Wenig später waren sie im Haus von Wolfgangs Mutter, das etwas abseits an einem Fluss lag. Wolfgang stellte sofort eine Whiskyflasche auf den Wohnzimmertisch, holte drei Gläser und schenkte ein. „Das hebt die Stimmung“, sagte er zu Silke. Dann nahm er ein Glas und prostete den beiden zu. „Kannst du mal Musik machen“, forderte er Albert auf, der neben der Anlage stand. Daraufhin setzte er sich zu Silke und küsste sie. Er streichelte ihre Brüste und fragte sie, ob ihr dies gefallen würde. Sie schaute teilnahmslos zu Albert, der sich an den CDs zu schaffen machte. Trotz allem fühlte sie sich zu Wolfgang hingezogen und sie wollte, dass es wieder so wird, wie es vor diesem Abend gewesen war. Mit einem Zug leerte sie das Glas und knallte es auf den Tisch. Sie schenkte sich noch einen ein. Still beobachtete sie Albert. „Was meinst du, warum können wir nicht mal Albert fesseln? Vielleicht gefällt es ihm ja?“, flüsterte sie Wolfgang ins Ohr. Wolfgang blickte zu Albert, der ahnungslos die CDs durchwühlte, dann wieder zu Silke und nickte ihr zu. Von hinten schlichen sie sich an Albert ran. Plötzlich spürte er die Hände von Wolfgang an seinen Schultern und die Hände von Silke an seinen Beinen. „Was soll das“, schrie Albert und ließ die CD, die er gesucht und nun endlich gefunden hatte, fallen. Wenig später lag er an Händen und Füßen gefesselt, am Boden und Silke stand mit gespreizten Beinen über ihm, während Wolfgang wieder auf der Couch saß und zu ihnen rüber sah. Albert blickte auf das Glas, das Silke in der Hand hatte. „Willst du auch einen Schluck?“, fragte sie ihn. Aber noch bevor er antworten konnte, hatte sie sich zu ihm runtergebeugt und ihm den Whisky eingeflößt. Silke konnte kaum mehr gerade stehen, aber es gefiel ihr, dass Albert unter ihr lag. Sie knöpfte ihm die Hose auf und sein steifes Glied kam zum Vorschein. „Schau doch, du machst ihn an“, hörte er Wolfgang lachen. Silke ließ sich nach hinten neben Albert auf den Boden fallen und betrachtete aus dieser Perspektive sein Glied, bis es plötzlich erschlaffte. Enttäuscht, als wäre ein Naturschauspiel zu Ende gegangen, wandte sie ihren Kopf zur Seite. Dann raffte sie sich wieder auf, torkelte zu Wolfgang und schenkte sich noch was von dem Whisky ein. „Bindet mich los“, stammelte Albert. Mit ein paar seltsamen Verrenkungen versuchte er die Hose wieder hochzubekommen, was ihm aber nicht gelang. „Ist schon gut“, sagte Wolfgang, erhob sich und begann ihn langsam loszubinden. „Das war ja besonders lustig“, beschwerte sich Albert. Er schaute zu Silke, die betrunken in einer Ecke kauerte, während er seine Hose zuknöpfte.
Als Silke am nächsten Tag aufwachte, brummte ihr der Kopf. Erst allmählich kam ihr wieder die Erinnerung. Als sie ihre Hände bewegen wollte, merkte sie, dass sie gefesselt und das Seil um einen mächtigen alten Kasten geschlungen war. Auf der Couch schlief Albert. Draußen auf der Veranda sah sie eine kleine schwarze Katze in der Sonne liegen. Sie versuchte sich zu befreien, bemerkte aber bald, dass es hoffnungslos war. Wenig später stand Wolfgang im Raum, er streckte sich verschlafen und blickte auf Silke. „Kannst du mich losmachen?“, bat sie ihn mit schwacher Stimme. Doch er ignorierte sie und ging auf die Veranda, wo er das Kätzchen auf seinen Schoß nahm und es liebevoll streichelte. Jetzt wurde auch Albert munter. Still sahen sie sich an. Albert wandte seinen Blick ab und schlüpfte in seine Schuhe, die vor der Couch standen. Er erhob sich, öffnete die Glastür und ging zu Wolfgang. Silke sah durch das Fenster, wie sie sich unterhielten. Eigentlich war es nur Albert, der redete, während Wolfgang still daneben saß. Wenig später verließ Wolfgang die Veranda und Albert blieb alleine zurück. Dann stand Wolfgang wieder vor ihr, klimperte mit dem Autoschlüssel in der Hand und meinte, dass sie jetzt eine kleine Spazierfahrt machen würden. Er band sie vom Kasten los, ließ aber ihre Hände gefesselt. Silke erwiderte nichts, sondern blickte angstvoll um sich, als er sie in die Garage führte, wo der Ford stand. Er öffnete die hintere Türe des Autos, in dem Albert bereits am Beifahrersitz wartete, und schob sie hinein.
Langsam trottete Silke hinter dem Auto her. „Da schau, macht sie doch gut. Dann können wir gleich noch ein bisschen mehr Gas geben.“ Wolfgang drückte auf das Gaspedal. Silke begann nun zu rennen. Albert beobachtete sie durch die Heckscheibe. „Du pass auf, das schafft sie nicht mehr lange“, schrie er. Wolfgang drosselte die Geschwindigkeit und blickte in den Rückspiegel. Daraufhin wendete er das Auto. Der Wagen rollte ein Stück in den Morast, die Reifen drehten kurz durch, bis sie wieder festen Boden hatten. In langsamem Tempo fuhren sie zurück, während Silke hinter ihnen herlief. „Wir müssen tanken“, bemerkte Wolfgang. „Hast du überhaupt einen Führerschein?“, wollte Albert wissen. „Die kurze Strecke, da wird schon nichts passieren“, entgegnete Wolfgang. Er hielt an, löste das Seil von der Stoßstange und ging auf Silke zu, die ganz außer Atem war. Sie wich ein paar Schritte zurück, worauf Wolfgang sie mit dem Seil zu sich zog, bis sie ganz nah vor ihm stand. „Das Fitnessprogramm ist vorbei. Du kannst in das Auto kommen.“ Als Silke nichts erwiderte und auch keine Anstalten machte, in das Auto zu steigen, zog er sie an dem Seil zu dem Ford und zwang sie einzusteigen. Wenig später rasten sie den Feldweg entlang. Silke wurde hin und her geschüttelt. Kurz gerieten sie ins nasse Gras, aber mit einer reflexartigen Bewegung konnte Wolfgang den Wagen wieder unter Kontrolle bringen. Albert schaute erschrocken zu Wolfgang. „Was ist, hast du Schiss“, hörte er ihn lachen. Dann schaltete Wolfgang und erhöhte das Tempo. Hinter ihnen war eine riesige Staubwolke zu sehen. Wolfgang lachte wie irr und drehte das Radio lauter. Die Maisfelder flitzten vorbei. Kurz darauf erreichten sie die Bundesstraße. Albert betrachtete im Rückspiegel Silke, die still dasaß und aus dem Fenster blickte. Vor ihnen fuhr ein Traktor mit einem Heuanhänger. Wolfgang fluchte und bremste, da er nicht überholen konnte. Bei der ersten Gelegenheit scherte er aus, schaltete vom dritten in den zweiten Gang und gab kräftig Gas. Zu spät bemerkte er das Polizeiauto, das am Straßenrand stand. Im nächsten Augenblick sah er auch schon das Stoppschild des Polizisten. Er schaltete die Musik leiser, drehte sich zu Silke und löste ihr mit einer Hand die Fesseln. „Wehe, du sagst was.“ Ungefähr fünfzig Meter nach dem Polizeiauto hielt er. Eine junge Polizistin, gefolgt von einem älteren, kräftigen Kollegen, kam auf sie zu. Wolfgang blieb still sitzen, nochmal drehte er sich zu Silke und musterte sie mit strengem Blick. Dann kurbelte er die Fensterscheibe runter. „Guten Tag, Ihre Papiere bitte, Zulassungsschein und Führerschein“, hörte er die Polizistin sagen. Wolfgang kramte im Handschuhfach, wo auch das Verbandszeug war und gab ihr dann den Zulassungsschein. Sie reichte ihn ihrem Kollegen weiter, der ihn genau ansah. Die Polizistin warf einen Blick auf Albert und Silke. Silke schaute sie stumm an. „Und der Führerschein?“, wandte sie sich wieder an Wolfgang. „Der ist zu Hause, ich wollte nur kurz zur Tankstelle.“ „Das ist aber nicht gut.“ „Wenn Sie wollen, ich kann ihn später vorbeibringen. Liegt wirklich nur zu Hause.“ Sie musterte Wolfgang misstrauisch. „Wo wohnen Sie denn?“ „Gleich in dem Dorf da hinten“, deutete Wolfgang mit einer Armbewegung. In diesem Moment gab ihm der Polizist den Zulassungsschein zurück und ging zu seinem Auto. Wolfgang reichte ihn Albert, der ihn wieder ins Handschuhfach gab. Plötzlich schob Silke ihren Kopf nach vorne und würgte, als wollte sie sich übergeben. „Mir ist schlecht“, stammelte sie. Die Polizistin schaute sie erstaunt an. „Vielleicht brauchen Sie ein wenig frische Luft.“ „Ach, das vergeht schon“, meinte Wolfgang. Aber Silke beugte sich wieder nach vorn und dieses Mal schien es, als ob sie wirklich jeden Moment erbrechen müsste. „Ich brauch frische Luft“, stammelte sie erneut. Wolfgang blieb still sitzen, doch als er den Blick der Polizistin spürte, stieg er aus und öffnete die hintere Wagentür. Die Beamtin ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Silke kletterte aus dem Auto, torkelte ein paar Schritte und klammerte sich zitternd an die überraschte Polizistin, während sie sich übergab. Wolfgang starrte sie entsetzt an und stieg ins Auto. „Ich hol dann mal den Führerschein“, murmelte er leise. Er startete den Wagen und fuhr, ohne sich nochmals umzusehen, davon. Albert schaute Wolfgang fassungslos an. „Was schaust du so, ist eh alles in Ordnung.“ Wolfgang drehte das Radio wieder lauter und drückte auf das Gaspedal, während der Kirchturm des Nachbardorfes hinter ihnen verschwand.