Stephan Reimertz
geb. 1962 in Aachen, D
lebt in Wien, A

Studierte Kunstgeschichte, verbrachte einige Zeit auf Reisen. Aufsätze, Gedichte und short stories.

Publikationen:

  • Ariadne klagt. Hörspiel, Sender Freies Berlin, 1992.

  • Der unbewußte Ahasverus. Hörspiel, Deutschlandsender, 1993.

  • Max Beckmann. Rowohlt, 1995.

  • Max Beckmann und Minna Tube -- eine Liebe im Portrait. Rowohlt Berlin, 1996.

  • Vom Genuß des Tees. Gustav Kiepenheuer, 1998.

  • Woody Allen. Rowohlt, 2000.

Foto:Jaqueline Merz


In die Kindheit und Jugend eines Ich- Erzählers entführte der in Wien lebende Deutsche Stephan Reimertz das Auditorium mit einem Auszug aus seinem Roman "Papiergewicht".

Wegen des Vaters, der ihm immer wieder als leuchtendes Vorbild vor Augen gestellt worden war, konnte der Junge keinen Killerinstinkt entwickeln, wird aber zum genauen Beobachter der gesellschaftlichen Hierarchien.

Schlecht gewählter Ausschnitt?
Burkhard Spinnen versuchte Autorensolidarität aufzubringen: "Vielleicht ist es ein schlecht ausgewählter Ausschnitt", vermutete er, "Ich habe nichts gefunden, was die Darstellung der Kindheit veranlasst hat".

Wo ist der trojanische Esel?
Hardy Ruoss meinte, es werde auf traditionelle Art erzählt, Bilder nur genannt, aber nicht dargestellt. Er hätte gerne den "trojanischen Esel, den die Geschichte durchaus haben könnte", nicht gefunden, und meinte, an der Geschichte müsse noch gearbeitet werden.

Verdichtung wäre wichtig
Technische Probleme des Textes ortete Robert Schindel. Es hake noch daran, die Erzählperspektive des Zehnjährigen wie in Zeitlupe zu bringen. Den Text zu straffen und zu verdichten - das würde diesem gut tun. "Wenn Sie Idylle beschreiben wollen - das geht auf diese alte Art nicht mehr", beschied er dem Autor.

Unfassbarer Text
Iris Radisch hatte gehofft: Bis zuletzt habe ich gehofft, dass der Autor das nicht ernst gemeint hat, dass es eine Parodie wäre. Ich befürchte aber, es ist eine Literatur aus der Jugendpsychotherapie", so Radisch. Vielleicht sei es notwendig Idyllen zu entwerfen, meinte sie weiter, aber Kinder reden so nicht, das sei eine erwachsen Projektion. "Ich weiß im Grunde überhaupt nicht , was sie gewollt haben", wandte sie sich an de Autor, "ich fasse es nicht, wie eine Autor heute so viele Stereotypen versammeln kann".

Unentschlossen und schematisch
Elsabeth Bronfen meinte, der Text höre sich wie ein Kinderbuch an. Sie habe auch den Eindruck, der Text wäre unentschlossen. "Da wäre wohl Ironie notwendig gewesen, damit man die Perspektive des Kindes packend, das Fragmentarische der Wahrnehmung interessiert gefunden hätte", so Bronfen. Aber Ironie habe sie nicht gefunden. Sie fand, der Text sei "extrem schematisch, führt aber nicht zu einem Punkt".

Blick auf das Deutschland der 60er Jahre
Ulrike Längle sah hingegen die Qualitäten des Textes genau dort, wo die Einwände der anderen Juroren lagen. "Es wird eine latente Spannung zwischen Idylle und unterschwelliger Bedrohung aufgebaut, und der Aufbau der Spannung erfolgt in kleinen unauffälligen Details", fand Längle. Sie sehe aber auch eine die Geschichte, die durchaus "mit Komik den Blick auf das Deutschland der 60er und 70er Jahre freigibt".

"Ich habe es genossen von so bedeutenden Literaturkritikern verrissen zu werden, insbesondere die Kritik von Iris Radisch betrachte ich als Ritterschlag", so Autor Stephan Reimertz in seinem Schlusswort.


© 17.11.2009