Dritter Lesetag: Lob für Maack

Am letzten Lesetag ging es um ein Kind ohne Augen (Hannah Dübgen), eine Apokalypse (Roman Ehrlich) einen wohlwollend angenommenen Text über einen pubertierenden Käfersammler (Benjamin Maack) und Würmer im Essen (Nikola Anne Mehlhorn). Ein Text, der verrissen wurde.

Kind liest (Bild: Johannes Puch)Kind liest (Bild: Johannes Puch)

Keine Nachwuchssorgen in der Literatur?

Dübgen über ein Kind ohne Augäpfel

Als erste las am Samstag die Deutsche Hannah Dübgen , die von Juri Steiner eingeladen wurde. Sie trug ihren Text "Schattenlider" vor, über ein kleines Mädchen, das durch einen Chromosomenfehler ohne Augäpfel auf die Welt kommt und welche Gedanken sich ihre Mutter macht. Als Form wählte die Autorin die direkte Rede der Mutter an die Tochter.

Hannah Dübgen (Bild: Johannes Puch)Hannah Dübgen (Bild: Johannes Puch)

Die Jury fand die Geschichte anrührend, war sich aber ziemlich einig, dass die Du-Form, die direkte Ansprache der blinden Tochter durch die Mutter, nicht funktioniert. Hubert Winkels nannte den Text "nicht gelungen". Meike Feßmann bestätigte die Einwände Winkels in puncto Form, fand den Text aber sensibel, lobte die Ruhe und Genauigkeit, das Nachfühlen und Empfinden dieser Mutter. Die Autorin habe das Problem, dass sie auch Informationen für den Leser in diesem Gespräch mit der Tochter unterbringen müsse.

Elisabeth Hildegard Keller lobt die "leise, kluge Empathie". "Ein schönes Beispiel für literarische Empathie". Es seien "wunderbare" Sätze im Text, sie sei beeindruckt. Daniela Strigl meinte, Empathie alleine reiche leider nicht. Für sie sei der Grat zwischen Empfindsamkeit und Sentiment überschritten. Burkhard Spinnen sagte, dass die Wirklichkeit für den Text zwar "zugerichtet" werde, der Text mache es sich aber zur Aufgabe, eine existenzielle Katastrophe zu heilen. Es gebe ihm Hoffnung, dass heute noch jemand eine klassische Idylle zu schreiben bereit sei.

Roman Ehrlich (Bild: Johannes Puch)Roman Ehrlich (Bild: Johannes Puch)

Ehrlich: Gibt es die Apokalypse?

Als zweiter Autor am letzten Lesetag folgte Roman Ehrlich . Er wurde von Paul Jandl eingeladen und las den Textauszug "Das kalte Jahr". Die Apokalypse ist vorüber. Doch gab es überhaupt eine? Was es war, das die Welt so kalt gemacht hat, scheint aus dem Bewusstsein der Menschen in Roman Ehrlichs Text wie ausgelöscht. Der Ich-Erzähler nimmt einen kleinen Jungen namens Richard bei sich auf, der nicht über seine Herkunft redet, aber ständig an etwas Hochtechnischem herumbastelt. Eine Rohrbombe vielleicht? Für Meike Feßmann gab es zu wenig Indizien, was da für eine Katastrophe passiert ist, worauf der Text hinauslaufe, sei nicht erkennbar. Hubert Winkels sah sich selbst "im Nebel stochern" (was dem Juror gefiel) und Daniela Strigl wurde durch diesen "reizvoll beunruhigd".

Nachmittag stand im Zeichen der Käfer des Dr. Mabuse

Am Nachmittag las Benjamin Maack aus Hamburg, der von Hubert Winkels nominiert wurde. Er las den Text "Wie man einen Käfer richtig fängt von Joachim Kaltenbach".

Benjamin Maack (Bild: Johannes Puch)Benjamin Maack (Bild: Johannes Puch)

Jury Steiner zeigte sich froh darüber, "den Schlüssel" zum Text mit dem Autorenvideo geliefert bekommen zu haben und fragte sich, wie Dr. Mabuse wohl als Kind gewesen sei. Die Doppelbödigkeit sei "extrem wohltuend". Burkhard Spinnen beharrte auf einem Terminus der Idylle. Dies sei eine, die einen an einen Punkt bringe, wo man glaube, nun müsse die Mutter das Monster von Sohn dazu zwingen, die Käfer zu essen. Die Kindheit eines Dr. Mabuse verwandle sich in das, was eine Kindheit immer ist: schwierig. Hildegard Keller nannte die Geschichte extrem skurril. Der Vater erkläre die Welt aus dem Film, skurril sei die Mutter, die zum Papagei degradiert werde. Die Welt sei autistisch, montiere die Stimmen. Die Kurve in Richtung Idylle, die auch von Spinnen angesprochen worden war, habe sie enorm überrascht, sagte Keller. Meike Feßmann nannte den Text eine Tragikkomödie eines Heranwachsenden, der an den Käfern experimentiert und damit einen Zweck verfolgt - er will seine Klassenkameradin mit den Käfern verführen.

Nikola Anne Mehlhorn (Bild: Johannes Puch)Nikola Anne Mehlhorn (Bild: Johannes Puch)

"Requiem der Vierzigjährigen" von Nikola Anne Mehlhorn

Die Deutsche Nikola Anne Mehlhorn war die letzte Autorin der TDDL 2013 und wurde von Jury Steiner nominiert. Sie las den Text "Requiem der Vierzigjährigen", der von der Jury sehr verrissen wurde: Kara sammelt Teebeutel mit Lebensweisheiten und mischt ihrem Mann Rupert zerhackte Regenwürmer unter das Essen, bis ihr Sohn Ade nicht von einem Kindergartenausflug zurückkehrt. Ein "wirklich verunglückter"Text für Meike Feßmann. Als Figur sei Kara skurril, aber warum tue sie das - ihrem Mann Regenwürmer ins Essen zu mischen? Keller nannte das Motiv der bösen Köchin zwar spannend, es werde aber nicht wirklich konsequent fortgeführt. Das Motiv der "Rache durch Essen" gebe es schon seit dem Mittelalter. Jandl meinte, der Text langweile sich selbst und auch Burkhard Spinnen hätte gerne ein Rettungsnetz gespannt, konnte es aber nicht.

Publikum kann mitstimmen

Am Samstag, dem 6. Juli, zwischen 15.00 und 20.00 Uhr können die Publikumsstimmen online abgegeben werden: Alle Infos unter 3sat . Außerhalb dieser Zeit ist der Link inaktiv! Am Sonntag ab 11.00 Uhr findet die Abstimmung über die Preisträger und die Preisverleihung statt.

Fünf Preise werden am Sonntag vergeben

Insgesamt werden fünf Preise vergeben, Hauptpreis ist der mit 25.000 Euro dotierte Ingeborg-Bachmann-Preis, gestiftet von der Stadt Klagenfurt.

Jury (Bild: Johannes Puch)Jury (Bild: Johannes Puch)

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