Ist Literatur lernbar?

Anderswo ganz normal: "Creative Writing"

Im Gegensatz zum anglikanischen Raum, wo Kurse für Creative Writing längst gang und gäbe sind, bilden sogenannte Schreibschulen oder Literatur-Studiengänge im deutschsprachigen Raum noch die Ausnahme. Während es für bildende Künstler also völlig normal ist, an die Hochschule zu gehen, mutet es vielen seltsam an, dass auch Literatur erlernbar sein soll. 'Autor-sein', das hat für die meisten etwas mit einer Berufung zu tun, weniger mit einem erlernbaren Beruf.

Literaturkurs (Bild ORF/Johannes Puch)
Die Teilnehmer des 12. Klagenfurter Literaturkurses


130 anonymisierte Texte

Die drei Tutoren des Literaturkurses 2008 - Ferdinand Schmatz, Inka Parei und Frederike Kretzen - wählten aus gut 130 anonymisierten Einsendungen aus. Endergebnis: Das Gros der Stipendiaten besucht Literaturinstitute in Leipzig und Hildesheim.

Das wirft natürlich die Frage auf: Ist 'Schriftsteller-sein' heutzutage "lernbar", also ein Beruf wie jeder andere? Und welche Auswirkungen haben Literaturstudien auf die Qualität literarischer Texte? Ist Erfolg als Autor heutzutage mehr und mehr von der richtigen, möglicherweise "marktgerechten" Ausbildung abhängig?

 

"Dichterfabriken"

Es scheint für junge Autoren immer schwieriger zu werden, nicht im "Einheitsbrei" des literarischen Marktes unterzugehen und Eigenständigkeit zu behaupten. Literarische Subversivität ist Trumpf.

Die Erfahrung der letzten Jahre lehrte die Tutoren nämlich, dass mit der Versiertheit, die junge Autoren durch Literaturstudien erlangen, eine gewisse Nivellierung der Texte einhergeht. Oft fehle es an persönlichem Ton. Die Juroren beurteilen die "Dichterfabriken" deshalb ambivalent bis skeptisch.

 Literaturkurs (Bild ORF/Johannes Puch)
Die Organisatoren und Juroren beim 12. Klagenfurter Literaturkurs: Inka Parei, Friederike Kretzen, Moderatorin Elisabeth Heydeck, Ferdinand Schmatz, Heimo Strempfl (Musilmuseum) und Kulturstadtrat Albert Gunzer.


"Professionalisierung" feststellbar

In jedem Fall geht mit dem Literatur-Studium eine gewisse "Professionalisierung" der Autoren einher.Für die Stipendiaten bedeutet der Kurs - neben der gewonnenen Öffentlichkeit für die eigene Literatur - vor allem die progressive Arbeit am Text.

"Fragen an die Literatur zu stellen" und das "poetische Prinzip der Texte schärfer herauszuarbeiten", ist das erklärte Ziel. Die Juroren agieren dabei als erfahrenere Dichterkollegen und Berater, greifen aber nicht regulierend in die Texte ein. 

 

Passè: Carl Spitzwegs "Armer Poet"

"Welchen Kurs die Literatur 2008 nehmen wird, ist schwer zu sagen." Tendenzen zu bestimmten literarischen Themen oder Stilen lassen sich - so die Juroren - nicht eindeutig feststellen. Sicher scheint in Hinblick auf die Texte des heurigen Jahres nur, dass das literarische Experiment, das Sprachspiel passè sei.

 

Fazit: Techniken sind erlernbar, das Schreiben selbst ist es nicht. Von der Vorstellung des "armen Poeten", wie sie Carl Spitzweg im Sinn hatte, wird man sich im Hinblick auf die junge deutsche Literatur aber ein für alle Mal verabschieden müssen.

Barbara Frank