Eröffnung im Zeichen der Veränderung
Die Eröffnung im 32. Jahr des Klagenfurter Wettlesens stand ganz im Zeichen der Veränderung: Angefangen bei einem neuen "Moor-Derator", blieb auch sonst kein Stein auf dem anderen. Eines aber ist gleich geblieben: Klagenfurt ist wieder Nabel der Literaturwelt.
Video: Eröffnung der TDDL 2008
Aufzeichnung vom 26. Juni
Moor statt Granditz
Nicht Ernst A. Grandits blieb es heuer überlassen, in die zahlreichen Besonderheiten des heurigen Bewerbes einzuführen, sondern seinem Kollegen Dieter Moor. Während der Bewerb auf der einen Seite eine straffende Verjüngungskur erhalten hat, wird die deutschsprachige Literatur heuer erstmals einer europäischen Öffentlichkeit zugänglich: Alle Texte und die Berichterstattung gehen annähernd zeitgleich in sieben verschiedenen Sprachen online.
Der Saal im ORF-Theater war zum Bersten voll. Zahlreiche Besucher konnten die Eröffnung nur über die Monitore im Literaturcafe verfolgen.
Haslitzer: "Europäische Vision"
In seiner Eröffnungsrede erläuterte der Landesdirektor des ORF Kärnten, Willy Haslitzer, die Idee hinter dem Projekt: "Unsere Vision lautet, dass deutschsprachige Autoren mit ihren Wettbewerbstexten von einem Verleger in London oder einem Lektor in Paris ebenso wie von einem Literaturfan in Prag, wahrgenommen werden." Gleichzeitig biete man Europa einen Überblick über die aktuelle deutschsprachige Literatur an.
Haslitzer wies darauf hin, dass erstmals auch Literaturfans aus England, Frankreich, Italien, Spanien, Tschechien und Slowenien die Möglichkeit hätten, Einfluss auf die Vergabe des Publikumspreises zu nehmen.
ORF-Landesdirektor Willy Haslitzer überreichte der Organisatorin Michaela Monschein zum Dank eine Erstausgabe des "Geometrischen Heimatromans" von Gert Jonke.
Seit 20 Jahren live auf 3sat
Dass auch bei der 32. Ausgabe des Bewerbes die politischen Grußworte nicht fehlen durften, versteht sich von selbst. Klagenfurts Kulturstadtrat Albert Gunzer kam deshalb nicht um eine Rede herum. Dass das "Wettlesen" seit 20 Jahren live auf 3sat übertragen werde, sei in der heutigen Fernsehwelt mit nichts zu vergleichen: "Es gibt keine andere Veranstaltung, die ein derart großes Publikum erreicht", so Gunzer.
Klagenfurt und der Bachmannpreis seien schon eine "wirkliche Ehe" eingegangen, so Moderator Moor.
Klagenfurts Kulturstadtrat Albert Gunzer kam deshalb nicht um eine Rede herum.
Literatur braucht Events und Öffentlichkeit
ORF/3sat-Koordinator Reinhard Scolik rückte den Zusammenhang zwischen Fußball und Literatur in den Mittelpunkt. "Stellen Sie sich eine Fußball-Europameisterschaft ohne Fernsehübertragung vor - was würd‘ dabei schon groß rauskommen? Im besten Fall ein gutes Fußballspiel, das keiner sieht".
Ähnlich verhalte es sich mit der Literatur. Auch Literatur brauche Events und eine breite Öffentlichkeit. "Denn was hilft sie, wenn sie keiner hört und niemand liest?" Das Fernsehen eigne sich ganz gut als "Verbündeter der Literatur", so Skolik.
"Es spielen 14 Literaten gegen sieben Juroren, wir von 3sat freuen uns, das Spiel live zu übertragen. Lassen Sie uns Ihr zwölfter Mann sein", so Scolik.
Literaturrede wurde zum Event
Die Klagenfurter Rede zur Literatur gab es heuer nicht nur in literarischer, sondern auch in musikalischer Form: Redner Ilija Trojanow gab mit dem Titel "Beginne den Beguine" vorab nicht nur Rätsel auf, er hatte auch Musik mit nach Klagenfurt gebracht. Dazu einen Text über die Möglichkeiten des Anfangens oder, wie es der Autor formulierte: "Worin es darum geht, worum es eigentlich geht".
Im Mittelpunkt der "Performance" stand Cole Porters Komposition "Begin the beguine" aus dem Broadway-Musical "Jubilee". 1935 ein Flop, führte die Nummer drei Jahre später in der Interpretation von Artie Shaw sechs Wochen lang die Billboard-Charts an. Später sollte der Jazzmusiker, Klarinettist und Bandleader über seinen größten kommerziellen Erfolg frustriert feststellen: "Alles was sie (Anm. das Publikum) hören wollten, war Begin the Beguine".
In diesem Sinne verknüpfte der Autor des "Weltensammlers" Lied-Interpretationen von Django Reinhard über Ella Fitzgerald bis hin zu Julio Iglesias mit der Liebesgeschichte zwischen dem Komponisten und dem Librettisten des Musicals "Jubilee".
Trojanows Rede, eine Mischung aus literarischem und philosophischem Text, wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.
Video: Klagenfurter Rede zur Literatur
Aufzeichnung vom 26. Juni
Kompletter Text der Rede von Ilija Trojanow
In Hinblick auf das Klagenfurter Wettlesen darf der Text sicher als wohlmeinende Mahnung daran gelesen werden, "dass Anerkennung selten so erfolgt, wie man es sich erträumt" und kein Beginn einem anderen gleicht. In diesem Sinne darf mit Trojanow als Motto für den Bewerb 2008 gelten: "try again, fail again, fail better".
Großer Andrang herrschte nach der Veranstaltung beim Buffet des Sponsers Telekom Austria.
Spannend bis zum Schluss: Lesereihenfolge
Im Anschluss an die offiziellen Eröffnungsansprachen und die Rede zur Literatur erfolgte die Auslosung der Reihenfolge, in der die Autoren an den folgenden beiden Tagen lesen werden.