Viele Zugänge zu einem einzigen Text
"Das luftige Leben" von Heike Geißler eröffnete den zweiten und letzten Lesetag der Tage der deutschsprachigen Literatur 2008. Zwar hatte Ursula März die deutsche Autorin nach Klagenfurt eingeladen, Ijoma Mangold sollte den Text jedoch fast noch ambitionierter unterstützen, als die Jurorin.
Moderator Moor stellte nach der Diskussion verwundert fest, wie viele verschiedene Zugänge der Text doch zulasse.
Sprache von "großer erzählerischer Tüchtigkeit"
Ijoma Mangold konstatierte, er hätte den Text über einen Fremdenführer, der sich einen Engel ausdenkt, sofort mit großem Interesse gelesen. "Der Engel widmet sich der mutigen und vornehme Aufgabe, die ehedem von der Religion übernommen worden ist: Der Einführung ins Transzendente, in die Metaphysik und in das Schöne." Die gewählte Sprache sei "von großer erzählerischer Tüchtigkeit und Feinheit".
Allerdings hätte er sich noch etwas mehr "Mut zum Engel" gewünscht, da dieser ab der Mittefür den Protagonisten selbst etwas Pathologisches bekomme: "Die Autorin steigt beherzt auf den 10-Meter-Turm, um dann Schritt für Schritt zurückzugehen und dann schön vom 3-Meter-Brett zu springen".
Für Strigl ein "Schlag in die Magengrube"
"Das ist ein schwerer Fall", kritisierte die gar nicht begeisterte Daniela Strigl. Ihr sei die Sprache zu "parfümiert. "Zu prätentiös - mit falschem Konjunktiv, aber ich will nicht kleinlich sein". Dennoch meinte sie: "Der Text hat mir einen Schlag in die Magengrube versetzt und der schönste Moment ist bekanntlich der, wenn der Schmerz nachlässt".
Für Spinnen eine "abenteurliche Konstruktion"
Burkhard Spinnen gab zu bedenken, dass ihn die "Unentschlossenheit" des Textes etwas verwirrt hätte: Ob das aber eine "absichtsvolle Gradwanderung" der Autorin sei? - Er lobte die "abenteuerliche Konstruktion".
März: "Ich mag den Text von Herzen"
Ursula März meinte: "Das ist ein Tagträumer, wie Meister Eder, der sich einen Pumuckel ausdenkt". Tagtraum und Wirklichkeit würden sich zu dieser Zweigleisigkeit im Text verbinden, deshalb "diese" Sprache, die sich in dem Maß vom Realismus entferne, wie sie das nachvollziehe, was im Kopf des Mannes passiere. "Ich mag ihn von Herzen, diesen Text".
Die Jury war sich nicht einig
Ijoma Mangold fand diese Interpretation des Textes "zu leise, zu zurückgenommen, zu unmutig".
Andre Heiz zeigte sich enttäuscht davon, dass der Engel dem Mann "nicht ebenbürtig" sei: "Er kommt und wird uns gleich wieder entzogen" - gratulierte der Autorin aber dennoch zum "Mut".
Klaus Nüchtern meinte: "Tja, Meister Eder und sein Pumuckl" - das sei spannend und ambitioniert, die von Strigl kritisierte Sprache, ein "hochartifizielles Idiom" sei hier angemessen. Nüchtern verglich es mit der" etwas umständlichen", aber "stimmigen" "puzzeligen Präzision eines Buddelschiffbauers".
Sulzer verblieb "ratlos"
Anders Alain Claude Sulzer. Er kritisierte den "biblischen Ton": Ihn ließ der Text nur "ratlos", das wirke "gemacht". "Das ist mehr ein Kobold als ein Engel". Ob das am Alter der Autorin liege?