Bachmannpreis ORF.at Information
FR | 11.02 | 15:51
Publikum (Bild: ORF - Johannes Puch)
Wettlesen
Zwei Favoriten am zweiten Tag
Am zweiten Lesetag kristallisierten sich mit Uwe Tellkamp und Arne Roß weitere Favoriten heraus, auf deren Texte die Juroren wahre Lobeshymnen sangen.
Anwärter für den Bachmann-Preis?
Die Autoren des zweiten Lesetages: Thomas Raab, Richard David Precht, Artur Becker, Andreas Münzner, Uwe Tellkamp, Melinda Nadj Abonji und Arne Roß.

Die vier Autoren, die am Vormittag lasen, überzeugten die Jury nur teilweise. Mit der Lesung von Uwe Tellkamp und Arne Roß wendete sich das Blatt - die Juroren fanden für die Texte fast ausschließlich lobende Worte.

Auch am Vortag hatte ein Autor - der Berliner Wolfgang Herrndorf - die fast einstimmige Zustimmung der Jury.
Thomas Raab (Bild: ORF - Johannes Puch)
Keine Einigkeit bei Raab
Mit dem Text des Österreichers Thomas Raab, der auf Vorschlag der Jurorin Daniela Strigl las, begann der zweite Tag des diesjährigen Bachmannwettbewerbs.

Der Text "Einführung in die doppelte Buchhaltung" thematisierte die absolute Konformisierung der "ökologischen Nische Mensch" (Raab) in einer Casting-Show.

Die Haltung der Jury reichte von "ein guter Frühstückstext" (Klaus Nüchtern) zu "eine Orgie der Beherrschung", so Spinnen.
Richard David Precht (Bild: ORF - Johannes Puch)
Kritik an Prechts Technik
Der deutsche Autor Richard David Precht las auf Vorschlag Daniela Strigls aus dem Text "Baader Braun". Die "geistige Mitgliedschaft" bei der RAF wird für einen heranwachsenden Jungen zur Möglichkeit, gegen das in Deutschland der 70-er Jahre herrschende System der Erwachsenen zu rebellieren.

Von der Jury wurde der Text vor allem hinsichtlich der "technischen Ausführung" bemängelt. Autor und Erzähler seien zu sehr verflochten, meinten Ursula März, Burkhart Spinnen und auch Norbert Miller.

Dennoch fand die Jury auch lobende Worte. Für Martin Ebel war der Text "hochamüsant". Dessen Protagonist sei "die schönste Blüte aus dem Sympathisantensumpf", die er kennenlernen durfte.
Artur Becker (Bild: ORF - Johannes Puch)
Becker-Text war "too much"
Der deutsche Autor Artur Becker las auf Vorschlag von Norbert Miller aus einer noch titellosen Novelle.

"Too much" lautete die mehrheitliche Reaktion der Jury in Bezug auf den Text, der einfach zuviel auf einmal wolle. "Ungeheures Unterfangen" (Iris Radisch) und "Es fehlt an Leerstellen" (Ilma Rakuska) waren die Kommentare.

"Die Geschichte redet zuviel", befand auch Heinrich Detering und Daniel Strigl meinte trocken: "Am besten gefallen haben mir die Fische, die sind wenigstens stumm."

Eine Ausnahme in der Beurteilung bildeten Burkhart Spinnen und Norbert Miller, die in Beckers Sprache einen neuen Umgang mit der deutschen Sprache orteten.
Andreas Münzner (Bild: ORF - Johannes Puch)
Debatte über Münzners Sprachstil
Andreas Münzner las auf Einladung Ilma Rakusas aus dem Text "Kennen sie Tschechow". Im Verlauf eines Geburtstagsfestes kommen die dunklen Punkte im Leben der feiernden Familie ans Tageslicht.

Die Jury war geteilter Meinung - vorwiegend beschäftigte sie sich mit dem vom Autor gewählten sprachlichen Ton. Die Äußerungen reichten von "Literarische Katerstimmung" und "Sprache der Verlangsamung"(März) über "Experimentelle Prosa" (Miller) bis zum "genau undeutlichen Ton" (Martin Ebel).

Ilma Rakuska lobte, dass die Tragödie ohne großes Pathos auskäme. Und Iris Radisch zeigte sich angesichts der "Ignoranz" ihrer Kollegen gegenüber dem Schicksal der Familie "äußerst fassungslos".
Uwe Tellkamp (Bild: ORF)
Lobeshymnen auf Tellkamp
Der deutsche Autor Uwe Tellkamp las auf Vorschlag Ilma Rakusas. Sein Romanauszug "Der Schlaf in den Uhren", ist eine "Zugfahrt durch die deutsche Geschichte".

Der Text fand von der Jury ein bis zu diesem Zeitpunkt nicht gekanntes Ausmaß an Zustimmung. "Man möchte fast in die Knie gehen" (Martin Ebel), "Opernhafte Literatur" (Burkhart Spinnen) und "Ein großer Autor ist entdeckt" (Iris Radisch) lauteten nur einige der Lobeshymnen.

Heinrich Detering meinte am Ende nur noch: "Boah eh! Das ist eigentlich zuviel, das geht ab wie eine Rakete!" Allein Norbert Miller fand das "Klavier etwas zu wohltemperiert".
Melinda Nadj Abonji (Bild: ORF - Johannes Puch)
Ratlosigkeit bei Nadj Abonji
"Im Schaufenster im Frühling" lautete der Titel des von Melinda Nadj Abonji vorgetragenen Romanausschnitts, die auf Einladung von Martin Ebel nach Klagenfurt gekommen war.

Die Autorin aus der Schweiz traf bei der Jury auf große Ratlosigkeit, Iris Radisch nannte es ein "Ratespiel". Ilma Rakuska war "in einem Dilemma" und Klaus Nüchtern meinte, eine Geschichte - auch wenn sie ein Romanauszug sei - müsse in sich funktionieren.

Erst die erklärenden Worte Martin Ebels am Schluss der Diskussion konnte das offensichtliche Unverständnis ein wenig ausräumen.
Arne Roß (Bild: ORF - Johannes Puch)
Roß - durchwegs positiv aufgenommen
Fast alle Juroren lobten den Text und das "Einfühlungsvermögen des jungen Autors" (Heinrich Detering). Ilma Rakusa meinte: "Das ist im positiven Sinne ein Text über fast nichts".

Hervorgehoben wurde die "Darstellung älterer Menschen". Der Text gehe am üblichen "Instant-Inventar" der Seniorenheime vorbei, weil er "große anatomische Sachlichkeit" und "Menschlichkeit" aufweise (Ursula März).