Erster Lesetag: Von Schreibabys und Analsex
Hermine Grundner ist der Name der alten Frau in Roman Marchels Text. Am Anfang liegt ein Leintuch auf dem Boden, sie denkt an ein Leichentuch. Am Ende des Texts hat sie ihren krebskranken Mann getötet. Für Juri Steiner war das kein Mord aus Mitleid, sondern einer aus Brutalität. Meike Feßman hielt dagegen, dass er aus Überlastung und totaler Erschöpfung heraus geschehen sei. Für Juryvorsitzenden Burkhard Spinnen ein Text über das Altwerden und die Abwesenheit von Menschen. In dem Text sind nämlich eigentlich nur die Frauen übrig geblieben. Die Männer sind abwesend, tot oder schwerkrank. Juror Arno Dusini, der Roman Marchel eingeladen hatte, verteidigte den Text als "wunderbar" - mehr dazu in Jurydiskussion .
Preiwuß: Jury wortreich aber wenig positiv
Die zweite Autorin an ersten Lesevormittag war Kerstin Preiwuß. Sie las auf Einladung von Meike Feßmann einen titellosen Text, in dem es um die Tochter eines Nerzfarmers geht, der traumatisiert aus dem Weltkrieg zurückkam und diese Traumatisierung an die nächste Generation weitergibt. Ihr Text brachte Daniela Strigl dazu, die Kategorie der "Aufdringlichkeit" für Texte einzuführen - mehr dazu in Jurydiskussion .
Sommers Text "nicht ganz fertig"
Der letzte Autor am Vormittag war Tobias Sommer, ebenfalls aus Deutschland. Es las den Text "Steuerstrafakte" und wurde eingeladen von Juri Steiner. Die Jury wusste nicht, ob sie "lachen darf", die Geschichte sei "nicht ganz fertig". Der an Franz Kafka erinnernde Text brachte Daniela Strigl dazu, zu fragen: "Warum lacht man hier nicht" - mehr dazu in Jurydiskussion
Gertraud Klemm erste Favoritin?
Die Österreicherin Gertraud Klemm las einen Auszug aus dem Roman "Ujjagy", aus dem Blickwinkel einer Mutter, die sich verliert (Arno Dusini). Der Titel ist eine Beschwörungsformel, die beruhigen soll, laut Dusini im Text aber nicht wirkt. Für Meike Feßmann wird durch das Kind das Selbstbild der Mutter demontiert. Die Geschichte hält ihren "bösen Ton" durch, das habe ihr gefallen. Es war die längste und bisher differenzierteste Debatte der Jury - mehr dazu in Jurydiskussion
Verriss für Olga Flors alte Liebe
Olga Flor las als letzte Autorin des ersten Bewerbtages den Romanauszug "Unter Platanen", die Geschichte einer früheren Liebe. Arno Dussini verriss den Text komplett, Daniela Strigl verteidigte ihre Autorin erbost - mehr dazu in Jurydiskussion .
Eröffnung: Willkommen im Jahr 1
Bei der feierlichen Eröffnung am Mittwochabend zeigte sich: Der Ingeborg Bachmann-Preis ist nach den Diskussionen über seine Einstellung im Vorjahr im „Jahr 0“ angelangt. Das ORF Theater war bis auf den letzten Platz gefüllt - mehr dazu in Willkommen im Jahr 1