Der zweite Lesetag 2011: mehr Lob

Der zweite Tag der Lesungen 2011 brachte langen Applaus und viel Jury-Lob für die Kärntner Autorin Maja Haderlap. Auch Nina Bußmann und Steffen Popp ernteten Zuspruch.

 

Ein Arzt lädt Schuld auf sich

Der in Berlin lebende Linus Reichlin wurde von Meike Feßmann vorgeschlagen. Er las den Text "Weltgegend" vor, die Geschichte eines Arztes im Kriegsgebiet, der auf einen Menschen schießt - die ersten drei Kapitel eines Romans.

Linus Reichling (Bild: Johannes Puch)Linus Reichling (Bild: Johannes Puch)

Hubert Winkels konnte sich nicht so recht mit dem Text anfreunden: "Routiniert" und in einer "guten Sprache" verfasst, wirke der Text doch wie eine "Fernsehfilm mit zu geringem Budget". Alain Claude Sulzer sprach von der Geburt einer Schuld und wollte auch den Roman lesen. Meike Feßmann sah starke Figuren und starke Dialoge, während Daniela Strigl über das allzu Glatte stolperte.

Jurydiskussion Linus Reichlin

 

Maja Haderlap (Bild: Johannes Puch)Maja Haderlap (Bild: Johannes Puch)

 

Haderlap erste Favoritin

Die in Klagenfurt lebende Maja Haderlap war auf Vorschlag von Daniela Strigl zum Bewerb eingeladen worden. Sie las den Text "Im Kessel" vor: Ein Wäldchen fungiert darin als Metapher für die Geschichte der Kärntner Slowenen, den zweiten Weltkrieg und den Kampf der Partisanen gegen die Nazis. Die Jury zeigte sich durchwegs angetan und fand in der Wald-Schilderung Parallelen zu Adalbert Stifter.

Vom Publikum erntete die Autorin langen Applaus, die Jury lobte den "gemächlichen Rhythmus", das "makellos Nostalgische" des Textes ebenso, wie dessen "feine sprachliche Nuancen". Eine erste Favoritin, der gute Chancen auf einen Preis eingeräumt werden können.

Jurydiskussion Maja Haderlap

 

Rabinowich: ein "schwieriger" Text

Die Österreicherin Julya Rabinowich wurde von Daniela Strigl eingeladen und las den Text "Erdfresserin" vor, der die Jury spaltete. Haupttenor der Diskussion: ein "schwieriger" Text.

Julya Rabinowich (Bild: Johannes Puch)Julya Rabinowich (Bild: Johannes Puch)#

Gorgo oder banale Hexe?

Eine Frau in einer Wüstenlandschaft, eine osteuropäische Prostituierte, die die Nähe zu Sohn und Mutter ebenso wenig erträgt wie jene des ans Bett gefesselten Leos, den sie jedoch nicht verlassen kann, bevor sie nicht seine Sparbücher an sich gebracht hat. Der Jury erschien die Protagonistin wie eine Gorgo, ein Vampir oder auch wie eine banale Hexe - allerdings sei die Geschichte damit insgesamt mythologisch zu überfrachtet.

Jurydiskussion Julya Rabinowich

 

"Große Ferien" von Nina Bußmann (D)

Nina Bußmanns Text beschreibt ein enges Lehrer-Schüler-Verhältnis, das aut Meike Feßmann "genau gearbeitet" sei. Das Ordnungsprinzip im Leben eines Lehrers gerate darin aus den Fugen.

Laut Hubert Winkels könnte es ein erotisches Begehren zwischen Lehrer und Schüler geben, doch diese Unterstellung verschwinde, es sei die Projektion eines alten Lehrers. Man wisse nicht, ob etwas zwischenden beiden passiert sei oder nicht. Ausdruck des philosioschen Ansatzes im Text, dass nämlich die Wahrheit dem Menschen nicht zugänglich sei. Die Jury befand, der Text sei "genau gearbeitet, genau gedacht" und "enorm klug" - ein zweiter Favorit.

Nina Bußmann (Bild: Johannes Puch)Nina Bußmann (Bild: Johannes Puch)

 

Jurydiskussion Nina Bußmann

Beschlossen wurde der zweite Lesetag vom Autor Steffen Popp (D), dessen Text "Spur einer Dorfgeschichte" von der Jury gelobt wurde, gleichzeitig aber auch auf viel Unverständnis stieß. Dies, weil Popps Text aus einer Reihe von aneinander montierten Momentaufnahmen besteht. So mancher Juror - um nur Alain Claude Sulzer zu nennen - fing mit dieser "lyrischen" Machart wenig an.

Steffen Popp (Bild: Johannes Puch)Steffen Popp (Bild: Johannes Puch)

Als "halbfertig" habe er diesen Text empfunden, begann Hubert Winkels, auch wenn dieser sich als "endgültig" zu erkennen gebe. Der Leser gerate bei dieser Machart in den Zwang, die "aneinandergehefteten" Bilder oder Perlen selbst miteinander verbinden zu müssen. Ihm fehle der "trigonometrische Punkt" von wo aus die Geschichte ihren Ausgang nehme.

Alain Claude Sulzer meinte, der Text sei eigentlich keine Prosa, sondern Lyrik. Spinnen fühlt sich durch den Text an einen Jazzmusiker erinnert, der mit bewundernswerter Sicherheit ein Thema immer wieder variiere, dabei jedoch immer wieder in die Harmonie des Ganzen zurückfinde.

Jurydiskussion Steffen Popp

 

Jury (Bild: Johannes Puch)Jury (Bild: Johannes Puch)

 

Lesereihenfolge TDDL 2011

Der erste Lesetag

Der dritte Lesetag

 

TDDL 2011TDDL 2011