Bachmannpreis für Katja Petrowskaja

Die in Kiew geborene und in Berlin lebende Ukrainerin Katja Petrowskaja ist die Bachmannpreisträgerin 2013. Ihr Text "Vielleicht Esther", die Geschichte einer Babuschka im von den Nazis besetzten Kiew. "Wunderbar, kraftvoll, locker und leicht gewebt", so die Juroren.

Preisträger 2013Preisträger 2013

v.l. ORF-Direktorin Karin Bernhard, Nadine Kegele, Heinz Helle, Katja Petrowskaja, Verena Güntner, Benjamin Maack, ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz.

Vier der sieben Juroren stimmten (Feßmann, Spinnen, Keller und Steiner) für die lockere Geschichte einer Geschichtsaneignung einer Nachgeborenen (Spinnen). Ein eindeutiges Ergebnis ohne nötige Stichwahl. Katja Petrowskaja wurde von Hildegard Elisabeth Keller eingeladen. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert. Katja Petrowskaja folgt als Preisträgerin auf die Russin Olga Martynova , die 2012 den Bachmannpreis gewann.

Katja Petrowskaja (Bild: Johannes Puch)Katja Petrowskaja (Bild: Johannes Puch)

Katja Petrowskaja mit Vizebürgermeister Albert Gunzer und Bürgermeister Christian Scheider (v.l.)

In ihrer Laudatio sagte Keller, dann man vor vier Tagen gar nicht gewusst habe "ob es uns noch gibt. Nun wissen wir, der Bachmannpreis lebt". Die "Erinnerungsreise" zur jiddisch sprechende Urgroßmutter in Kiew zeige "ungeschützt Herz". Wie gute Literaten im Individuellen das Allgemein-Menschliche zeigen würden. "Die Petrowskaja schafft das", "ich habe bei ihrem Vortrag Menschen vor Rührung weinen gesehen", so Keller. LAUDATIO HILDEGARD ELISABETH KELLER

Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)Hildegard Elisabeth Keller (Bild: Johannes Puch)

Keller: "Die begeisterte Aufnahme des Textes in Klagenfurt zeigt, dass dessen Ton ein ungestilltes Bedürfnis in der deutschsprachigen Literatur ist." Eine russische Weise, dem "Leben literarisch zu begegnen". Die Urgroßmutter tripple aus der Zeit wie eine Schildkröte, in deren Panzer Szenen des trojanischen Kriegs eintätowiert wären. Die Erzählerin stehe wie die Schöne Helena auf der Mauer. "Vielleicht wünschte sich so mancher, hoffentlich hört sie nicht auf mit Lesen - Gott sei Dank tut sie das nicht. Freuen wir uns auf "Vielleicht Esther", bei Hoffentlich-Suhrkamp", so Keller.

Verena Güntner (Bild: Johannes Puch)Verena Güntner (Bild: Johannes Puch)

Kelag-Preis an Verena Güntner

Als nächstes wurde der mit 10.000 Euro dotierte Kelag-Preis vergeben. Es kam zur Stichwahl zwischen Benjamin Maack und Verena Güntner . Güntner ging als Siegerin daraus hervor.

Paul Jandl in seiner Laudatio: "Wenn die Kindheit ein Versprechen ist, ist es die Literatur erst Recht. Beides sind Anfänge, die noch nicht bekannte Ziele ansteuern". "Es bringen" heiße die berührende Parabel über das Erwachsenwerden, auch ist eine "Formel erotischer Anwendungen". Die Hauptfigur Luis mache erste Erfahrungen und erinnere sich zurück an die Zeit seiner Unschuld. Der junge Mann denkt über seinen Körper nach und darüber, was man damit machen kann. Jandl fühlte sich an den Fänger im Roggen erinnert: "Es bringen" ist ein überzeugendes Oszillieren zwischen Zärtlichkeit und Kraft, so Paul Jandl über seine Autorin: LAUDATIO PAUL JANDL

Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)Paul Jandl (Bild: Johannes Puch)

3sat-Preis an Benjamin Maack

Als nächstes wurde der 3sat-Preis verliehen, er ist mit 7.500 Euro dotiert. Es kam zur Stichwahl zwischen Heinz Helle und Benjamin Maack , die dieser für sich entschied. Der Text "Wie man einen Käfer richtig fängt" erzählt von einem Jungen, der mit Käfern ein Mädchen gewinnen will.

Benjamin Maack (Bild: Johannes Puch)Benjamin Maack (Bild: Johannes Puch)

Laudator Hubert Winkels zeigte sich "glücklich und zufrieden." Benjamin Maack schreibe nämlich hervorragenden Kurzgeschichten, und "kein Verleger will Kurzgeschichten", es sei fast eine aussterbende Gattung. "Ich kenne von ihm einen Band, der heißt Monster, der mir gut gefallen hat. Ich habe keinen Text gewählt, der mir zugeschickt wurde, sondern habe Maack gebeten, einen Text zu schreiben. Er hatte drei Monate für zehn Seiten. Das war ein hohes Risiko, denn wenn mir der Text nicht gefallen hätte, hätte ich ihm sagen müssen, Du darfst nicht mit nach Klagenfurt. Er hat es aber geschafft. LAUDATIO HUBERT WINKELS

Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)Hubert Winkels (Bild: Johannes Puch)

Ernst-Willner-Preis für Heinz Helle

Als nächstes wurde der Ernst-Willner-Preis vergeben, der von mehreren Verlagen gestiftet wird. Er ist mit 5.000 Euro dotiert. Hier gab es eine Stichwahl zwischen Heinz Helle und Roman Ehrlich. Heinz Helle gewann die zweite Abstimmung klar mit 4 zu 3 Stimmen. Er wurde von Daniela Strigl eingeladen und las den Text "Wir sind schön".

Heinz Helle (Bild: Johannes Puch)Heinz Helle (Bild: Johannes Puch)

ORF-Direktorin Karin Bernhard mit Heinz Helle.

In ihrer Laudatio sagte Daniela Strigl: "Wir alle kennen das, wenn alles Reden und Bereden zu nichts führt, als zu noch tieferem Missverstehen." Der Text führe auf subtile Wiese vor, was es heiße, sich auseinanderzuleben. "Selbst als der Mann im nationalen Fußballrausch nackt auf einer Ampel hockt, schaut er sich über die eigene Schulter. Je mehr er original sein will, desto mehr wird er zum Abziehbild. Er verspielt sein Leben und das seines Kindes.

LAUDATIO DANIELA STRIGL

Publikumspreis an Nadine Kegele

Die Österreicherin Nadine Kegele bekam den Preis des Publikums für ihren Text "Scherben schlucken". Sie hatte es nicht auf Shortlist der Jury geschafft, doch das Publikum demonstrierte seine eigene Meinung.

Nadine Kegele (Bild: Johannes Puch)Nadine Kegele (Bild: Johannes Puch)

Spinnen: Mama, schön dass du wieder drei Tage zugeschaut hast

Als allerletzter Höhepunkt trat Burkhard Spinnen an das Rednerpult, um die traditionelle Abschlussrede des Juryvorsitzenden zu halten: In den letzten Jahren habe er immer Worte vorbereitet, die auch "grammatisch" einigermaßen gefügt sein sollten, so Spinnen. Das sei heuer nicht gegangen, "weil ich ja erst mal abwarten musste, welches Thema ich überhaupt habe". Klagenfurt sei für ihn ein "Demuts-Ort", an den er jedes Jahr "wallfahrte um dort kennenzulernen, dass meine Meinung nicht von allen geteilt wird oder manchmal überraschenderweise doch - da, wo ich es nicht gedacht hatte." In diesem Jahr habe er aber etwas erfahren, dass ihn schockiert habe: "Solidarität. Die älteren werden sich noch an das Wort erinnern." Angefangen vom Stab der Mitarbeiter, dem neuen Organisator Horst Ebner, Landesdirektorin Karin Bernhard, die mit ihm "mitgezittert" und "mitgelitten" habe, "bis hinauf zu einem neuen und starken Freund des Wettbewerbes, dem Generalintendanten aus Wien und den Damen und Herren von 3sat, die für die Austrahlung zuständig sind." "Was für eine breite Solidarität", so Spinnen, "welcher Politiker träumt nicht von einer solchen Parteien- und bewusstseins-überschreitenden Front für eine gute Sache? Herzlichen Dank an alle."

"Das ist jetzt eine Rede geworden, die fatal erinnert an das, was Oscar-Preisträger so von sich geben, nachdem sie die Figur bekommen haben. Es fehlt jetzt eigentlich nur noch, dass ich meine Mutter grüße. Und weil das die einzige Gelegenheit ist, bei der ich mich trauen werde das zu tun, sage ich: Mama, schön dass du wieder drei Tage zugeschaut hast. Mach dir noch einen schönen Sonntag, und ihr anderen auch".

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